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BGH, Beschl. v. 24.11.2021 – 4 StR 345/21:Zu Indiz­wirkungen für den Er­kenntnishorizont des Täters (§ 24 StGB)

Sachverhalt:

Der Angekl. A wollte zur Finanzierung seines Drogenkonsums den in seiner Nachbarschaft wohnenden G überfallen. Hierzu führte er ein Messer mit sich, welches er ausschließlich als Drohmittel einsetzen wollte. Er klingelte maskiert an der Haustür des G. Als dieser öffnete, hielt A dem G das Messer entgegen. Noch bevor A etwas sagen konnte, griff G nach dem Messer, wobei er sich verletzte. Zugleich griff er nach der Maskierung des A, sodass diese verrutsche. G drängte den Avon dem Hauseingang weg und rief dabei: „Ich kenne dich! Hier gibt es nichts zu holen!“ Daraufhin flüchtete der A.

Das LG hat die Tat als versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung gewertet. Einen strafbefreienden Rücktritt gemäß § 24 I StGB vom Versuch des besonders schweren Raubes hat das LG verneint. Der Versuch sei fehlgeschlagen.

Der BGH sieht die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch als rechts­fehlerhaft an.

Aus den Gründen:

„Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen versuchten besonders schweren Raubes ist bedenklich, weil das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 StGB mit der nicht trag­fähigen Begründung verneint hat, der Versuch sei fehlgeschlagen“. (Rn. 5)

Ein Fehlschlag liegt dann vor, „wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält.“ (Rn. 6) Maßgeblich hierfür ist nicht der ursprüngliche Tatplan des Täters, sondern „dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungs­handlung.“ (Rn. 6) Dem ursprünglichen Tatplan kann hierbei „Indiz­wirkung für den Er­kenntnishorizont des Täters zukommen“. (Rn. 6)  Ein Fehlschlag liegt nicht bereits dann vor, wenn der Täter „die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen.“ (Rn. 6) Hält dagegen der Täter „die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungs­fortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten.“ (Rn. 6)

Zur Begründung eines Fehlschlages führte das LG auf, dass der Angeklagte zwar aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit sein Ziel auch durch die Anwendung von Gewalt erreichen gekonnt hätte. „Dies sei für ihn aber nicht in Betracht gekommen, wie sich indiziell aus seinem Tatplan ergebe. Der Einsatz von Nötigungs­mitteln über die ursprünglich geplante Drohung hinaus sei für ihn keine gleichwertige Handlungs­alternative gewesen.“ (Rn.4) Der Angeklagte sei somit laut LG „nicht nur nicht willens, sondern auch nicht in der Lage gewesen, die „innere Hürde“ zur Anwendung von Gewalt als Nötigungs­mittel zu überwinden.“ (Rn 7.)

Hierdurch hat das LG dem Tatplan des Angeklagten jedoch „nicht nur indizielle Bedeutung für dessen Vorstellungs­bild zum sog. Rücktrittshorizont beigemessen, sondern den angenommenen Fehlschlag maßgeblich auf die vom Angeklagten erkannte Notwendigkeit gestützt (…), zur Erreichung seines Ziels andere als die ursprünglich geplanten Mittel anzuwenden.“ (Rn. 7)

Für die zweite Erwägung des LG, dass der Angeklagte „nicht „in der Lage“ gewesen (sei), die „innere Hürde“ zur Anwendung von Gewalt als Nötigungs­mittel zu überwinden, fehlt es an einem trag­fähigen Beleg.“ (Rn. 7)

Möglich ist nämlich auch, dass der Angeklagte „sein Vorhaben aus tatsächlichen Gründen für gescheitert hielt und deshalb von weiteren Ausführungs­handlungen Abstand nahm“ (Rn. 8), nachdem der Geschädigte gesagt hat, dass es nichts zu holen gäbe. Das LG hat dies zwar erwogen, aber nicht sicher festgestellt.

„Die Verurteilung wegen versuchten besonders schweren Raubes hat daher keinen Bestand“ (Rn. 9)

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