Sachverhalt
A und G verbüßen beide eine Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt. Zwischen ihnen war es seit längerer Zeit zu Streitigkeiten gekommen und eine körperliche Auseinandersetzung stand bevor. Die Gelegenheit hierzu ergab sich auf dem Sportplatz der Strafanstalt. Der G wartete im Basketballfeld auf den A. Ein Dritter teilte dem A mit, dass sich der G nun mit ihm schlagen wolle. Beide schlugen sodann mit Fäusten aufeinander ein, wobei nicht mehr festgestellt werden kann, wer die tätliche Auseinandersetzung begann. Der A versetzte dem G zu Beginn einen wuchtigen Faustschlag gegen den Kopf, durch den es zu einem Gefäßabriss im Bereich der Hirnbasis mit ausgeprägten Blutungen kam, welche den Tod des G verursachten. Zugunsten des A ist nicht auszuschließen, dass der am Boden liegende G noch kurz eingeschränkt handlungsfähig war und versuchte, sich am T-Shirt des A festzuhalten und zurückzuschlagen. Dann versetzte ihm der A ihm noch einen stampfenden Tritt mit dem Fuß auf die Stirn.
Das LG hat den Angeklagten A wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Nach Ansicht des BGH hält die rechtliche Würdigung des LG der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte habe sich nicht der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht, weil das Grunddelikt gerechtfertigt war und die Todesfolge – jedenfalls nicht ausschließbar – bereits zu diesem Zeitpunkt verursacht worden ist.
Zum Vorliegen der Einwilligung des Geschädigten, § 228 StGB [Rn. 4, 6–9]
Das LG stellte hierzu fest, es fehle an einer Einwilligung des G nach § 228 StGB, weil keine „einvernehmliche oder ausgemachte Prügelei“ vorgelegen habe; denn ein konkreter Zeitpunkt und Ort sei nicht vereinbart gewesen.
Demgegenüber stellt der BGH klar: A und B haben konkludent vereinbart, sich bei ihrem nächsten Aufeinandertreffen zu schlagen. Diese Abrede spiegelte sich auch im tatsächlichen Verlauf wider. Der Vereinbarung von Zeit und Ort bedurfte es nicht und diese wäre auch auf Grund ihrer Unterbringung nicht sinnvoll gewesen. Somit hat G stillschweigend und wirksam in solche Körperverletzungshandlungen eingewilligt. Jeder Rechtsgutträger – seine Einwilligungsfähigkeit vorausgesetzt – kann in diesem Umfang über das Rechtsgut seiner körperlichen Unversehrtheit disponieren (vgl. bereits BGH, Urteil vom 12. Mai 2020 – 1 StR 368/
Zur Sittenwidrigkeit, § 228 StGB [Rn. 4, 10–15]
Darüber hinaus stellte das Landgericht fest, dass eine Einwilligung in eine körperliche Auseinandersetzung in einer Justizvollzugsanstalt jedoch sittenwidrig sei, da solche Auseinandersetzungen verboten seien und die große Gefahr bestünde, dass andere Insassen in die Auseinandersetzung verwickelt würden.
Hierzu stellt der BGH klar, dass der Faustschlag zu Beginn nicht gegen die guten Sitten verstieß. Die Unvereinbarkeit einer Körperverletzung mit den „guten Sitten“ im Sinne von § 228 StGB hängt von der ex-ante zu bestimmenden Art und Schwere des Rechtsgutsangriffs unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des eingetretenen Körperverletzungserfolgs sowie des damit einhergehenden Gefahrengrads für Leib und Leben des Opfers ab (BGH, Urteil vom 12. Mai 2020 – 1 StR 368/
Hieran gemessen war die Tat nicht sittenwidrig. Die wechselseitigen Körperverletzungshandlungen sollten zwischen abwehrfähigen und abwehrbereiten, unbewaffneten erwachsenen Strafgefangenen stattfinden. Damit standen keine schweren Gesundheitsschäden im Raum und es war keine konkrete Todesgefahr zu erwarten. Die Anwesenheit von weiteren Strafgefangenen führt nicht zu einem anderen Ergebnis; denn deren Eingreifen war nicht verabredet. Dass eine körperliche Auseinandersetzung in einer Justizvollzugsanstalt unerwünscht ist und disziplinarisch geahndet wird, ist lediglich eine Folge des Kampfes und macht die Tat als solche nicht sittenwidrig. Die Einwilligung ist damit wirksam und der erste Schlag des A damit gerechtfertigt.
Anders ist allerdings der Tritt des A gegen den am Boden liegenden und bereits besiegten G zu beurteilen. Dieser war nicht von der Einwilligung gedeckt sind. Abgesehen davon, wäre das Einwirken auf den am Boden liegenden G jedenfalls sittenwidrig.