Sachverhalt:
Am Abend des 12. September 2020 kam es zwischen einer Gruppe um den Angekl. A auf der einen Seite und einer Gruppe, zu der auch der spätere Geschädigte N gehörte, auf der anderen Seite, zu einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung. Bei dieser wurden Flaschen und andere Gegenstände als Schlagwerkzeuge und Wurfgeschosse eingesetzt. In derselben Nacht gegen 2.20 Uhr trafen A und N vor einer Gaststätte in L wieder aufeinander. Es kam erneut zu einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung. Zu Gunsten des A ist das LG davon ausgegangen, dass hierbei der erste Schlag von N ausging, wobei beide in der Folge aufeinander einschlugen. Als A unter dem N auf dem Rücken lag und N diesen mit seinem linken abgewickelten Arm fixierte und mit seiner rechten Hand den linken Oberarm des A festhielt, nahm A einen spitzen Gegenstand, vermutlich ein Messer, und stach zwei Mal auf die linke Seite des Oberkörpers des N ein . A fügte ihm mit Verletzungsabsicht zwei Stichwunden zu, die acht und drei Zentimeter tief waren.
Das LG hat den A wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Nach Ansicht des BGH hält dies der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Aus den Gründen:
Die Verurteilung [im Fall 1] der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil das LG eine mögliche Rechtfertigung des Angeklagten durch Notwehr nicht geprüft hat (Rn. 4, 6).
„Eine in der Notwehrlage verübte Tat kann gemäß § 32 II StGB gerechtfertigt sein, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung steht (…). Wird eine Person rechtswidrig angegriffen, ist sie grundsätzlich berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, welches eine endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet. Der Angegriffene muss auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und ihm genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht (…).“ (Rn. 7).
Auch der Einsatz eines Messers kann durch Notwehr gerechtfertigt sein. Allerdings ist der Gebrauch eines Messers gegenüber einem unbewaffneten Angreifer anzudrohen, wenn „die Drohung unter den konkreten Umständen eine so hohe Erfolgsaussicht hat, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann. (…) Dies ist auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung zu beurteilen.“ (Rn. 7).
Die Prüfung einer möglichen Notwehrlage hatte sich nach den Feststellungen des LG aufgedrängt. Jedoch erfolgten in den gesamten Urteilsgründen des LG hierzu keine Ausführungen. Der geschädigte N hat den Angeklagten angegriffen und die Auseinandersetzung durch einen Schlag selbst begonnen. Daneben hat der Angeklagte den N die beiden Stiche zu einem Zeitpunkt versetzt, „als er sich in einer für ihn fast aussichtslosen Lage auf dem Rücken liegend befand, teilweise fixiert durch den auf ihm sitzenden Geschädigten“ (Rn. 8). Es hätte geprüft werden müssen, ob „der Angeklagte berechtigt war, zur Beendigung des Angriffs ein sofort wirksames Mittel – sogar in Form eines Messers – einzusetzen“ (Rn. 8).