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BGH, Beschl. v. 16.08.2023 – 4 StR 215/23: Fehlschlag

Sachverhalt (Rn. 1- 5)

Der Angeklagte nahm – als Folge einer psychotisch verzerrten Wahrnehmung – an, dass seine Ehefrau ihn töten wolle. Er ging ihn die Küche um ein Messer zu holen und damit seine Ehefrau zu töten. Hierzu wählte er ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 24 cm aus. Er versetzte ihr mehrere Stiche in den Oberkörper. Die Nebenklägerin flüchtete ins Wohnzimmer. Der Angeklagte setzte seinen Angriff gegen die im Wohnzimmer verletzungs­bedingt zu Boden sackende Nebenklägerin fort. Aufgrund der Hilfeschreie ihrer Mutter wachten die zwei gemeinsamen Kinder auf und zwei Polizisten vor dem Wohnhaus wurden auf das Geschehen aufmerksam. Der Angeklagte wies die Kinder an nicht die Tür zu öffnen. Zur Begründung erklärte er, dass er noch nicht fertig sei. Der Ehefrau gelang es dem Angeklagten das Messer zu entreißen. Das akut bedrohte Leben der Nebenklägerin konnte nur infolge der sofortigen Erstversorgung durch die Polizeibeamten gerettet werden.

Das LG hat die Tat als versuchten heimtückischen Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 gewertet. Es hat weiter angenommen, dass der Angeklagte an einer paranoiden Schizophrenie leide. Infolgedessen sei seine Steuerungs­fähigkeit bei Tatbegehung sicher im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert gewesen.

Aus den Gründen (Rn. 6 ff.)

Die Verurteilung wegen versuchten Mordes könne nicht bestehen bleiben, weil „das LG das Vorliegen eines strafbefreienden Rücktritts mit nicht trag­fähiger Begründung verneint“ (Rn. 6) habe. Das LG ging von einem beendeten Versuch aus. Zudem habe der Angeklagte von ihr –  wegen des Erscheinens der Polizeibeamten – nicht freiwillig abgelassen. Zudem liege aufgrund des Eintreffens der Polizeibeamten und des Entreißens des Messers durch die Nebenklägerin bereits ein Fehlschlag vor. (Rn. 7)

Diese Erwägungen sind rechts­fehlerhaft, weil sie von einer unrichtigen Prüfungs­reihenfolge ausgehen. Es wird auf das Vorstellungs­bild des Angeklagten unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungs­handlung sowohl bei der Beurteilung eines Fehlschlags als auch für die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch abgestellt (sog. „Rücktrittshorizont“). Das LG hätte zunächst das Vorliegen eines „Fehlschlags“ prüfen müssen. „Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn der Täter erkennt, dass der Taterfolg mit den bereits eingesetzten Mitteln nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Ganz gesetzt werden muss. Die subjektive Sicht des Täters ist auch dann maßgeblich, wenn der Versuch zwar objektiv fehlgeschlagen ist, der Täter dies aber nicht erfasst.“ (Rn. 9) Wenn ein Fehlschlag vorliegt, scheidet ein Rücktritt vom Versuch von vornherein aus. Nur wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, kommt es auf die Unter­scheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an, die für die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung von Bedeutung ist. (Rn. 9)

Die Ausführungen des Schwurgerichts ergeben nicht mit hinreichender Klarheit „welches Vorstellungs­bild der Angeklagte in Bezug auf den Todeseintritt nach der letzten mit Tötungs­vorsatz ausgeführten Tathandlung hatte.“ (Rn. 10) Mit der Annahme eines beendetem Versuch ist die Begründung des Fehlschlags – der Angeklagte habe die sich von ihm vorgestellte Tat bis zum Versterben der Nebenklägerin nicht mehr fortsetzen können – unvereinbar. „Diese legt nämlich den Schluss auf die Vorstellung eines für notwendig erachteten weiteren Handelns zur Herbeiführung des Todeserfolges nahe.“ (Rn. 10)

Die Aussage „noch nicht fertig“ ermöglicht einen Rückschluss auf das Vorstellungs­bild des Angeklagten, hätte aber noch näherer Erörterung bedurft. Denn sie weist daraufhin, „dass der Angeklagte von der Notwendigkeit weiterer Tathandlungen zur Herbeiführung des Todeseintritts ausging.“ (Rn. 12)

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