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BGH, Urt. v. 11.12.2024 – 1 StR 303/24: Zum Verbotsirrtum, § 17 StGB

Leitsatz 

Ein Verbotsirrtum i.S.v. § 17 StGB liegt nicht vor, wenn der Täter lediglich darüber irrt, dass sein Handeln strafbar ist, jedoch die Möglichkeit erkennt und in Kauf nimmt, dass sein Handeln rechtlich verboten ist. 

Sachverhalt (Rn. 1–6) 

Der Angekl. hatte seine Ehefrau mit Drohungen zu sexuellen Handlungen genötigt. Er drohte unter anderem damit, die Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung zu werfen.  

Aus den Gründen 

„Das Landgericht ging davon aus, dass dem Angekl. nicht bewusst gewesen sei, dass das Erzwingen des Beischlafs durch eine Drohung strafbar ist. Der Angekl. habe den auf seinem religiösen und kulturellen Hintergrund basierten Irrtum aber durch entsprechende Erkundigungen vermeiden können. Das LG hat daher bei der Strafzumessung zugunsten des Angekl. den Strafrahmen gem. §§ 17, 49 StGB verschoben.“ (Rn. 7) 

„Das Landgericht hat überspannte Anforderungen an die Über­zeugungs­bildung von der Schuld des Angeklagten gestellt und infolgedessen rechts­fehlerhaft einen vermeidbaren Verbotsirrtum im Sinne des § 17 Satz 2 StGB angenommen.“ (Rn. 11) 

„Die revisionsgerichtliche Kontrolle ist auf die Prüfung beschränkt, ob ihm dabei Rechts­fehler unter­laufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweiserwägungen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungs­sätze verstoßen oder das Tatgericht überspannte Anforderungen an die tatrichterliche Über­zeugungs­bildung gestellt hat.“ (Rn. 12) 

„Ein Verbotsirrtum im Sinne von § 17 StGB liegt nur dann vor, wenn dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Ohne Bedeutung ist dabei, ob er die Strafbarkeit seines Handelns kennt. Unrechts­einsicht hat der Täter bereits dann, wenn er bei der Begehung der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nimmt. Es genügt mithin das Bewusstsein, die vorgenommene Handlung verstoße gegen irgendwelche, wenn auch im Einzelnen nicht klar vorgestellte gesetzliche Bestimmungen. Dabei ist die Auffassung des Täters, die erkannte Rechts­widrigkeit sei für ihn – etwa aus politischen, religiösen oder sittlichen Gründen – nicht verbindlich, unbeachtlich. Wer meint, zu der Handlung moralisch berechtigt zu sein oder sogar entsprechend handeln zu müssen, hat dennoch Kenntnis von der Existenz eines rechtlichen Verbots.“ (Rn. 13) 

Vorliegend lebte der Angeklagte bei Begehung der Tat bereits mehr als 6 Jahre in Deutschland und war demnach mit der Kultur vertraut. Zudem sei auch in muslimischen Kreisen eine Vergewaltigung unter Strafe gestellt. (Rn. 15) 

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