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BGH, Urt. v. 26.02.2025 – 2 StR 454/24: Zum Rücktritt vom unbeendeten Versuch

Sachverhalt (Rn. 2–9) 

Zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger herrscht ein angespanntes Verhältnis. Dieses rührt unter anderem daher, dass der Nebenkläger eine Woche zuvor einen Feldweg mit seinem PKW befahren hat, der lediglich von landwirtschaft­lich genutzten Fahrzeugen befahren werden durfte.  

Als der Angeklagte, der ein Messer bei sich führte und zu Fuß unter­wegs war, von dem Nebenkläger und seine Lebens­gefährtin erneut auf dem Feldweg überholt wurde, schlug der Angeklagte als Folge der vermeintlichen Provokation an den Außen­spiegel des Fahrzeugs. Daraufhin hielt der Nebenkläger an, stieg aus und schrie in Richtung des Nebenklägers. Diese Provokation führte aus der Sicht des Angeklagten zu dem Entschluss, dem Nebenkläger einen Denkzettel zu verpassen. Dazu stach er dem Nebenkläger zweimal mit dem Messer in den Bauch. Dabei erkannte der Angeklagte, „dass der Nebenkläger tödliche Verletzungen davontragen konnte, was ihm im Moment des Zustechens jedoch gleich­gültig war“.  

Der Angeklagte dachte, dass „die bisherige Ein­wirkung auf den Nebenkläger, zu noch keine zum Tode führenden Verletzung des Nebenklägers geführt hatte“ und verließ daraufhin, ohne weitere Stiche abzugeben, den Tatort. Beim Entfernen des Tatorts beobachtete der Angeklagte, dass der Nebenkläger aufrecht neben dem Fahrzeug stand. Ohne die notärztliche Versorgung, die die Lebens­gefährtin gerufen hatte, wäre der Nebenkläger innerhalb von etwa 3 Stunden verblutet.  

Aus den Gründen 

Es liegt ein strafbefreiender Rücktritt vom versuchten Tötungs­delikt vor. 

Nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB ist eine freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung erforderlich. „Voraussetzung ist zunächst, dass der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit einem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges rechnet, seine Herbeiführung aber noch für möglich hält. Für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch kommt es darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungs­handlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält. Rechnet der Täter nach der letzten Ausführungs­handlung nach seinem Kenntnisstand (noch) nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges und sei es auch nur in Verkennung der durch seine Handlung verursachten Gefährdung des Opfers, so ist der Versuch unbeendet, wenn die Vollendung aus der Sicht des Täters noch möglich ist.“ (Rn. 23, 24) 

Zutreffend wurde im Hinblick auf den Rücktrittshorizont auf den Zeitpunkt abgestellt, als der Angeklagte mit dem Messer in der Hand über dem am Boden liegenden Nebenkläger stand und von der Ausführung von weiteren Stichen absah. Aus der Sicht des Angeklagten hatten die Stiche noch keine zum Tode führende Verletzungen herbeigeführt und es waren „weder körperliche Aus­wirkungen noch ein größerer Blutverlust beim Nebenkläger zu erkennen.“ (Rn. 25) 

Für eine nachträgliche Korrektur des Rücktrittshorizonts bestand kein Raum, da der Angeklagte sich beim Verlassen des Tatorts mehrmals umgedreht hatte und erkannte, dass der Nebenkläger aufrecht an seinem Wagen stand und der Tatort innerhalb weniger Minuten durch den Notarzt zu erreichen war. (Rn. 26, 27) 

Der Angeklagte war zudem durch nichts daran gehindert, den Angriff auf den Nebenkläger fortzusetzen. Er hat sich „in Kenntnis der Möglichkeit, einen weiteren Stich zu setzen, entschieden, seinen Angriff zu beenden und vom Tatort zu entfernen.“ (Rn. 28) 

Der freiwillige Rücktritt vom unbeendeten Versuch wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Angeklagte sein Handlungs­ziel, dem Nebenkläger einen Denkzettel zu verpassen, erreicht hatte. (Rn. 29) 

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