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BGH Urt. v. 14.11.2013 – 3 StR 336/13: Inbrandsetzen und durch Brandlegung zerstören

Sachverhalt:

Nach den Feststellungen des Landgerichts legte der Angeklagte in dem von ihm und seiner Familie bewohnten, gemieteten Bungalow einen Brand, um Zahlungen aus der Hausrats­versicherung zu erhalten. Er zündete im Schlafzimmer der Vierzimmerwohnung diverse Gegenstände an. Das Feuer, erfasste die Holzdecke des Schlafzimmers und führte dort zu Putzabplatz­ungen, erheblichen Rußschäden und der teilweisen Zerstörung des Inventars. Die übrigen Räume wurden durch Löschwasser „in Mitleidenschaft gezogen“ und Textilien durch Rauchgas beeinträchtigt. Das Haus war längere Zeit nicht bewohnbar. Der Angeklagte lebte mit seiner Familie acht Wochen bei Freunden und bezog dann eine andere Wohnung. Er machte bei seiner Hausrats­versicherung den Schaden geltend, die ihm rund 16.300 € erstattete. Der Angeklagte wurde vom Landgericht wegen Brandstiftung (§ 306) und Betruges verurteilt.

1. Inbrandsetzen durch Entzünden der Zimmerdeckenverkleidung

 „In Brand gesetzt ist ein Gebäude, wenn es so vom Feuer erfasst ist,  dass es selbständig ohne Fortwirken des Zündstoffs weiterbrennt, wobei es erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich der Brand auf Teile des Gebäudes ausbreiten kann, die für dessen bestimmungs­gemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung sind (st. Rspr…)“ „Eine Zimmerdecke ist zwar regelmäßig als Bestandteil eines Gebäudes und damit als wesentlicher Gebäudeteil anzusehen (…) In der rechtlichen Würdigung geht die Strafkammer jedoch von einem Brand der Deckenverkleidung aus. Eine Deckenverkleidung stellt aber nur dann einen wesentlichen Gebäudeteil dar, wenn sie so mit der Decke verbunden oder in sie eingearbeitet  ist, dass sie als Bestandteil der Decke nicht entfernt werden kann, ohne dass hierdurch das Bauwerk selbst beeinträchtigt wird (…).“

Darüber hinaus führt der Senat aus: „Die Feststellungen belegen darüber hinaus auch nicht, dass der Brand der Deckenverkleidung, sollte es sich insoweit um einen nicht wesentlichen Gebäudeteil gehandelt haben, jedenfalls geeignet war, das Feuer anderen Gebäudeteilen, die als wesentlich anzusehen sind, mitzuteilen.“

2. Durch Brandlegung zerstören

Auch die Zerstörung nur eines Zimmers eines Einfamilienhauses kann nach dem BGH zu einer teilweisen Zerstörung des Gebäudes im Sinne von § 306 Abs. 1 und § 306a Abs. 1, Abs. 2 StGB führen. Ein teilweises Zerstören sei anzunehmen,

„wenn Bestandteile des Tatobjekts, die zu einem selbständigen Gebrauch bestimmt sind, gänzlich vernichtet werden, ein für die ganze Sache zwecknötiger Teil unbrauchbar oder das Tatobjekt wenigstens für einzelne seiner Zweck­bestimmungen unbrauchbar gemacht wird (…). Damit kommt ein teilweises Zerstören nicht nur dann in Betracht, wenn ein wesentlicher funktionell selbstständiger Bestandteil des Tatobjekts zerstört wird, indem etwa eine Wohnung als Untereinheit eines Mehrfamilienhauses für beträchtliche Zeit für Wohnzwecke insgesamt ungeeignet wird (…). Vielmehr ist eine teilweise Zerstörung auch dann anzunehmen, wenn in Folge der brandbedingten Ein­wirkung das Tatobjekt einzelne von mehreren seiner Zweck­bestimmungen nicht mehr erfüllen kann. Beim Brand eines Wohnhauses, das als Mittelpunkt des menschlichen Lebens (…) jedenfalls dem Zweck des Aufenthaltes, der Nahrungs­versorgung und des Schlafens dient, kann die brandbedingte Vereitelung nur eines dieser wesentlichen Zwecke das Tatbestandsmerkmal des teilweisen Zerstörens erfüllen.“

Eine solche teilweise Zerstörung kann nach Auffassung des Senats auch durch die Ein­wirkung von Löschmitteln bewirkt werden, jedoch reichten hier die Feststellungen des Landgerichts („in Mitleidenschaft gezogen“) nicht aus.

Ferner stellt der BGH zur Frage der notwendigen Dauer der Unbewohnbarkeit zur Begründung des Tatbestandsmerkmals teilweises Zerstören fest:

„Tatbestandsmäßig im Sinne von § 306 Abs. 1 und § 306a Abs. 1 StGB ist eine teilweise Zerstörung nur, wenn sie von einigem Gewicht ist. Dies ist erst dann anzunehmen, wenn das Gebäude infolge des Brandes für eine nicht unbeträchtliche Zeit unbewohnbar wird. Dabei ist auf die Zeit abzustellen, die für die tatbedingt erforderlichen Renovierungs­arbeiten tatsächlich benötigt wird (…). Den Feststellungen kann vorliegend indes nur entnommen werden, dass der Angeklagte und seine Familie nach dem Brand acht Wochen bei Freunden lebte und danach nicht mehr in das Haus zurückkehrte. Dies muss allerdings nicht (allein) auf das Tatgeschehen zurückzuführen gewesen sein.“

3. Inbrandsetzen einer Wohnung (§ 306a StGB)

Die Staats­anwaltschaft hatte gerügt, dass keine Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung erfolgt war. Das Landgericht hatte dies mit der Begründung abgelehnt, dass das in Brand gesetzte Gebäude zwar grundsätzlich zur Wohnung von Menschen gedient habe, der Angeklagte aber zum Tatzeitpunkt sicher gewusst habe, dass sich keine anderen Bewohner in dem überschaubaren Objekt aufgehalten hätten. Auch für die Bewohner der Nachbarhäuser habe keine Gefahr bestanden. Da eine abstrakte Gefährdung von Personen sicher ausgeschlossen gewesen sei, sei § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB bei einschränkender Auslegung nicht erfüllt.

Dieser Auffassung widerspricht der Senat eindeutig:

„§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist ein abstraktes Gefährdungs­delikt, das ein Tun unter Strafe stellt, das typischerweise geeignet ist, das Leben von Bewohnern und anderen Personen zu gefährden, die das Gebäude aufsuchen oder sich in ihm befinden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen zur Wohnung dienende Gebäude als Mittelpunkt des menschlichen Lebens absolut geschützt werden, ohne dass im Einzelfall der Frage Bedeutung zukommen soll, ob sich zur Tatzeit tatsächlich Menschen in dem Gebäude befinden und ob sich der Täter davon überzeugt hat, dass im konkreten Fall Menschenleben nicht gefährdet werden können (…). Allerdings hat der Bundes­gerichtshof vereinzelt eine einschränkende Auslegung der Vorschrift für Fälle erwogen, in denen sich der Täter bei der Inbrandsetzung von kleinen, auf einen Blick überschaubaren Hütten oder Häuschen „durch absolut zuverlässige lückenlose Maßnahmen“ vergewissert hatte, dass eine konkrete Gefährdung von Menschenleben durch das Feuer sicher auszuschließen ist (…), dies letztlich aber stets offengelassen (…). Auch hier bedarf es keiner Entscheidung, ob dieser Überlegung im Ausgangspunkt gefolgt und ob der Bungalow überhaupt als Gebäude angesehen werden könnte, das mit einem Blick überschaubar ist; denn eine einschränkende Auslegung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB im dargestellten Sinne scheidet vorliegend jedenfalls deswegen aus, weil sich der Angeklagte nach der Brandlegung von dem Bungalow entfernt hatte. Damit entzog es sich seiner Kontrolle, ob andere Bewohner während seiner Abwesenheit in diesen zurückkehrten oder er von Dritten aufgesucht wurde. Eine Gefährdung von Menschenleben durch den Brand war damit keinesfalls völlig ausgeschlossen…“

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