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OLG Hamm, Beschl. v. 06.09.2013 – III-5 RVs 80/13: Vollendung der Wegnahme und „Polizeiflucht“

Das OLG hatte über die Frage nach der Vollendung der Wegnahme bei Entwendung sperriger Sachen von einem Firmengelände und über die Strafbarkeit der sog. „Polizeiflucht“ zu entscheiden.

Sachverhalt:

Die Angeklagten hatten Edelstahlteile im Wert von 70.000,- € von einem Firmengelände entwendet, welche sie über den Zaun reichten und in die Täterfahrzeuge verluden. Daraufhin flüchteten sie im Täterfahrzeug, wobei sie das auf der Fahrbahn abgestellte Polizeifahrzeug an der geöffneten Fahrertür streiften. Das LG verurteilte den Angeklagten wegen gemeinschaft­lichen Diebstahls und wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Sachbeschädigung, fahrlässiger Körperverletzung und Widerstandes gegen Vollstreckungs­beamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Zudem entzog es dem Angeklagten die Fahr­erlaubnis, zog den Führerschein ein und wies die Verwaltungs­behörden an, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahr­erlaubnis zu erteilen.

Das OLG verwarf die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet.

Aus den Gründen:

Für die Vollendung der Wegnahme komme es darauf an, „von welchem Zeitpunkt an der Dieb die dazu erforderliche tatsächliche Herrschaft über die gestohlene Sache ausübt“, was im Einzelfall eine nach den „Anschauungen des täglichen Lebens zu beantwortende Tatfrage“ sei. Dabei mache es „sowohl für die Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers wie für die des Täters einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, namentlich schwere oder sperrige Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht“. Das Verladen des Diebesgutes auf ein Transportfahrzeug könne daher je nach den Umständen des Einzelfalls für eine Tatvollendung ausreichen oder nicht.

Im vorliegenden Fall sei die Sachherrschaft des Firmeninhabers bereits gebrochen und eigene Sachherrschaft des Angeklagten und seiner Mittäter begründet worden, da die Edelstahlteile bereits vom Firmengelände entfernt und vollständig in das Transportfahrzeug verbracht worden waren. Zwar hätten der Angeklagte und seine Mittäter beim Eintreffen der Polizei noch keinen endgültigen und gesicherten Gewahrsam erlangt, letzteres sei aber „nur Voraussetzung für die Beendigung des Diebstahls, nicht für seine Vollendung“.

 Hinsichtlich der Strafbarkeit wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schloss sich der Senat der gefestigten Rechts­prechung zur „Polizeiflucht“ an und führte aus: „Fährt der Täter auf eine Polizeisperre aus Beamten oder Fahrzeugen zu, so liegt eine bewusste Zweckentfremdung des Fahrzeugs zu verkehrs­feindlichen Zwecken dann vor, wenn das Fahrzeug mit Nötigungs­absicht eingesetzt worden ist. Demgegenüber ist keine Zweckentfremdung gegeben, wenn der Täter sein Fahrzeug nur als Fluchtmittel zur Umgehung einer Polizeikontrolle oder Festnahme eingesetzt hat und dabei von Anfang an nicht auf den Polizeibeamten bzw. sein Fahrzeug zufahren, sondern an ihm vorbeifahren fahren wollte“. Im letztgenannten Fall komme es nicht auf eine konkrete Gefährdung oder Verletzung des Beamten oder einen Sachschaden an. Etwas anderes gelte nur, „wenn der Fahrzeugführer die Möglichkeit der Gefährdung oder Verletzung erkannt und eine solche Folge in Kauf genommen hat, weil ihm seine Flucht nur um den Preis einer nicht unerheblichen Gefährdung des Beamten und/oder seines Fahrzeugs möglich erschien“. Dies sei hier der Fall.

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