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BGH, Urt. v. 08.10.2014 – 1 StR 359/13: Täuschung bei prognostischen Aussagen

Sachverhalt:

Die Angekl. hatten unter Verwendung mehrerer Gesellschaften Immobilien an ihre Kunden verkauft, die überwiegend bereits erheblich verschuldet waren und nicht über das nötige Eigenkapital verfügten. Die daher erforderlichen Kredite vermittelten die Angeklagten. Dabei täuschten sie die Opfer über die Finanzierungkosten bzw. ließen sie darüber täuschen.

Fraglich war insofern vor allem, ob es sich bei den prognostischen Angaben um eine Täuschung über Tatsachen handelte. Tatsachen sind definitions­gemäß nämlich nur Vorgänge der Vergangenheit oder der Gegenwart, die einem Beweis zugänglich sind, nicht jedoch künftige Geschehnisse (vgl. nur Rengier BT I § 13 Rn. 4). Der Senat legt dar, dass eine (innere) Tatsache erklärt werde, sofern die Angekl. ihre Über­zeugung von der Richtigkeit der jeweiligen Angaben vorspiegeln (Rn. 21). Im Übrigen enthalten prognostische Äußerungen auch insofern Tatsachen, als gegenwärtige Bedingung zur Basis der Prognose gemacht werden:

„Dementsprechend sind Angaben eines Immobilienvermittlers über die Finanzierungs­kosten, die monatlich zu leistenden Zahlungen und andere mit dem Kaufobjekt zusammenhängende tatsächliche Umstände wie Mieteinnahmen und Steuervorteile als objektiv nachprüfbare und einem Beweis zugängliche Tatsachen einzuordnen (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. September 2006 – XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109). Lediglich wenn nur pauschale Angaben -etwa zur gewinnbringenden Wiederverkäuflichkeit von Eigentumswohnungen – getätigt werden, die sich letztlich allein als bloße werbende Anpreisungen darstellen, liegen keine Tatsachenbehauptungen vor (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2013 –  XI ZR 405/11, BKR 2013, 280 mwN).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht die gegenüber den Erwerbern gemachte und auf konkrete Berechnungen gestützte Aussage der Unter­vermittler, die Aufwendungen für den Kaufpreis der jeweiligen Eigentumswohnung würden (bis auf eine näher bezeichnete monatliche Zuzahlung) durch Steuervorteile und Mieteinnahmen ausgeglichen, rechts­fehlerfrei als Täuschung über Tatsachen im Sinne von  § 263 Abs. 1 StGB eingestuft.

(1) Nach den Urteilsfeststellungen wurden den Käufern unrichtige Angaben über monatliche Lasten (etwa die Höhe des Hausgeldes), zu erwartende Einnahmen (etwa aufgrund einer Mietgarantie) oder den Umfang von mit dem Erwerb verbundenen steuerlichen Vorteilen gemacht. Die Angaben bezogen sich dabei auf die gegenwärtige Wirtschaft­lichkeit des Immobilienkaufs zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Juni 2008 – XI ZR 79/07 mwN). Somit wurden die Käufer über die einer Nach­prüfung zugänglichen (gegenwärtigen) Prognosegrundlagen, mithin Tatsachen, getäuscht. Der Annahme konkreter Tatsachenbehauptungen steht auch nicht entgegen, dass die Unter­vermittler nicht auf den jeweiligen Käufer zugeschnittene „Berechnungs­beispiele“ verwendeten. Denn die Vermittler erweckten bei Verwendung dieser Berechnungen gezielt den Eindruck, es handele sich um „sichere“ Finanzierungs­modalitäten (UA S. 61).

(2) Auch soweit das Landgericht allein die Angaben der Vermittler über die zukünftig von den Kunden monatlich zu tragende Gesamtbelastung in den Blick genommen hat, ist eine Täuschung über Tatsachen hinreichend belegt.

Bei den unzutreffenden Angaben über die Höhe des monatlich zu erbringenden Eigenanteils handelte es sich nicht lediglich um Werturteile oder unverbindliche Anpreisungen. Die Angaben waren hier auch nicht lediglich pauschal (vgl. zu solchen Fallkonstellationen BGH, Urteil vom 19. September 2006 –  XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109, kritisch hierzu Junglas, NJOZ 2013, 49, 55 f.; Schmid, Die Rechts­stellung des Verbrauchers bei Mängeln fremdfinanz­ierter Immobilienkapitalanlagen [Schrottimmobilien], 2009, S. 91 mwN), sondern enthielten für den konkreten Einzelfall feste Beträge oder eng umgrenzte Bandbreiten und waren damit auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbar (vgl. dazu Schmid, aaO). Sie konnten von den Erwerbern einer vermieteten Immobilie auch nur so verstanden werden, dass sie aus der Differenz aller im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb zu erwartender Einkünfte sowie sonstiger finanz­ieller Vorteilen einerseits und der monatlichen Kosten andererseits errechnet worden waren.“

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