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BGH, Beschl. v. 11.06.2015, Az. 2 StR 186/15: Zum individuellen Schadenseinschlag bei räuberischer Erpressung

Sachverhalt:
Nach den Feststellungen des Landgerichts nötigten die beiden Angeklagten das Tatopfer, den Inhaber eines italienischen Restaurants, durch (konkludente) Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben dazu, ihnen 20 Kartons Wein zu einem Preis von 450 € abzukaufen, obwohl er dies nicht wollte.
Das LG hatte entschieden, dass nach den Grundsätzen des persönlichen Schadenseinschlags ein Vermögensnachteil für das Tatopfer in Höhe des gesamten Kaufpreises entstanden sei. Ein vom Täter zum Kauf einer Ware genötigtes Erpressungs­opfer sei auch dann geschädigt, wenn es für die Ware keine sinnvolle Verwendung habe oder sie auch nur nicht verwenden wolle.

Der BGH führt hierzu aus:

„Die Annahme eines Vermögensnachteils begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar kann grundsätzlich – unabhängig davon, welchen objektiven Wert eine dem Opfer zugeflossene Gegenleistung hat und ob dadurch im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtsaldierung die durch die eigenen Aufwendungen bewirkte Minderung des Vermögens ausgeglichen wird – ein Schaden nach den Grundsätzen des subjektiven oder individuellen Schadenseinschlags angenommen werden. Dies kommt nach der Rechts­prechung insbesondere in Betracht, wenn dem Opfer Mittel entzogen werden, die für die ordnungs­gemäße Erfüllung seiner sonstigen Verbindlichkeiten sowie für eine angemessene Wirtschafts- und Lebens­führung unerlässlich sind, das Opfer zu weiteren vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird oder das Opfer die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann.
[…] vielmehr spricht nach der Lebens­erfahrung eher Einiges dafür, dass das Opfer den ihm aufgezwungenen Wein im Rahmen seines Restaurantbetriebs weiterveräußert und dadurch Einnahmen erzielt hat, die als Kompensation bei der Nachteilsfeststellung zu berücksichtigen gewesen wären.“ (Rn. 3)

Ein Fall des persönlichen Schadenseinschlags ist nach dem Senat auch dann nicht gegeben, wenn das Opfer die ihm aufgezwungene Ware nicht verwenden wollte.
Das LG hatte festgestellt, dass das Tatopfer den Wein ursprünglich nicht käuflich erwerben wollte und insoweit durch eine (konkludente) Drohung zu einer nicht gewünschten Handlung genötigt worden ist. Es ist aber nicht belegt, dass der Geschädigte diesen Wein nach dem aufgezwungenen Erwerb auch nicht etwa im Rahmen seines Geschäftsbetriebs verwenden oder anderweitig veräußern wollte.

Dem steht auch „die Rechts­prechung des BGH entgegen, die in Fällen subjektiven Schadenseinschlags verlangt, bei der Schadensfeststellung den in dem Erlangten enthaltenen Gegenwert kompensatorisch zu berücksichtigen, den der Geschädigte mit zumutbarem Einsatz realisieren konnte. Auf die Vorstellungen, Wünsche oder Absichten des Geschädigten kommt es insoweit nicht an. Betrug schützt wie auch Erpressung nicht die Dispositions­freiheit, sondern das Vermögen; deshalb ist eine wirtschaft­liche Betrachtungs­weise geboten, die es ausschließt, die Annahme eines Nachteils allein auf den Umstand zu stützen, der Geschädigte wolle die aufgezwungene Ware – obwohl er es in zumutbarer Weise könnte – nicht verwenden oder weiterveräußern.“ (Rn. 5)

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