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BGH, Beschl. v. 22.09.2015 – 4 StR 152/15: Anforderungen an die Nötigungs­handlung bei räuberischer Erpressung, §§ 253, 255 StGB

Sachverhalt:

C nahm über Internetplattformen, auf denen sexuelle Kontakte zwischen Männern und Frauen verabredet wurden, Verbindung zu Männern auf, um diese bei vereinbarten Treffen um Geld oder Wertgegenstände zu bringen. Dabei fungierte die Mitangekl. L als „Lockvogel“.
C lernte auf diesem Weg den O kennen, der Kontakt zu Frauen suchte, um mit ihnen gegen Entgelt Geschlechtsverkehr auszuüben. Bei einem von O zu diesem Zweck in seiner Wohnung vereinbarten Termin erschien C anstelle der erwarteten Partnerin an der Wohnungs­tür. Er wollte O einschüchtern und gegebenenfalls Geld oder andere Wertgegenstände unter dem Vorwand mitnehmen, dies als Entschädigung für eine vermeintlich unlautere Verabredung zum Sex im Internet verlangen zu können. Er packte O beim Öffnen der Wohnungs­tür am Kragen, schüttelte ihn und sagte ihm: „Was ihm denn einfiele, sich mit Frauen im Internet zum Sex zu verabreden“. Er solle sich nicht noch einmal dabei erwischen lassen. C nahm das Fahrrad des O an sich und veranlasste ihn dazu, ihm Dieselkraftstoff auszuhändigen. Aus Angst vor C erstattete O keine Anzeige.

Im weiteren Verlauf verabredete sich O mit einer vermeintlichen „D“ in seiner Wohnung. Hinter diesem Pseudonym verbargen sich wiederum L und C.
Bei dem Treffen drangen C und der Mitangekl. A durch einen Trick der L in die Wohnung des O ein. Sie schüchterten O mit den Worten ein: „Ach Du schon wieder“ und „warum er das schon wieder mache“. Während sich A und L in der Wohnung umsahen, veranlasste C den O dazu, einen Finger auf den Tisch zu legen und deutete mit einem Messer Schneidebewegungen an, um sich über den bereits eingeschüchterten O lustig zu machen.
A bestellte über den PC des O, der auf Befragen sein Passwort genannt hatte, im Internet mit dessen Kreditkartendaten eine Jacke und ein Alarm­system. Anschließend verließen C und A mit O die Wohnung, um mit dessen EC-Karte das gesamte Geld von seinem Konto abzuheben. Tatsächlich hob der eingeschüchterte O 500 Euro von seinem Konto ab, die sich L, C und A teilten. Außerdem nahm C dem O noch dessen Mobiltelefon ab. Die von A bestellten Waren wurden an die Adresse des O ausgeliefert und von diesem an C und A weitergegeben. Der Kaufpreis wurde zunächst bei O abgebucht und nach dessen Protest von der Firma A wieder seinem Konto gutgeschrieben.


Der BGH entschied zum materiell-rechtlichen Teil der Revision:

„Ein von einer Kraftentfaltung der Angekl. ausgehender unmittelbar oder mittelbar auf den Körper des Geschädigten einwirkender Zwang lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Soweit die Angekl. C und A direkt in die Wohnung des Geschädigten gestürmt sind, ist nicht erkennbar, dass es dabei zu einer Zwangs­wirkung auf dessen Körper gekommen ist. Allein das resolute Auftreten des Angekl. C und seine verbale Bezugnahme („Ach du schon wieder“) auf das frühere Geschehen, bei dem es zu einer Gewalt­anwendung gegen den Geschädigten gekommen war, begründen noch nicht die Annahme eines aktuell auf den Körper des Geschädigten einwirkenden Zwangs.“ (Rn. 11)


Für die erneute Entscheidung des LG weist der Senat auf Folgendes hin:

Für eine Drohung mit einem empfindlichen Übel „kann ein schlüssiges Handeln ausreichend sein, wenn der Täter das angedrohte (…) Übel durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Besteht das konkludent angedrohte empfindliche Übel in unmittelbar drohenden körperlichen Über­griffen und damit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben, kann eine räuberische Erpressung gemäß §§ 253, 255 StGB gegeben sein. Darauf, ob der Täter die Drohung erforderlichenfalls auch verwirklichen will, kommt es nicht an.“ (Rn. 15)

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