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BGH, Urt. v.03.07.2015 -2 StR 422/14: Handeln zur Verhinderung der Geburt eines Kindes als Mordmerkmal der Ermöglichungs­absicht

Sachverhalt:

Der Angekl. hatte auf seine Freundin, die von ihm schwanger war mehrfach mit Tötungs­absicht mit einem Messer eingestochen, weil er verhindern wollte, dass diese das gemeinsame Kind zur Welt bringt. Sie verstarb noch am Tatort aufgrund der Stiche.

Die StA hatte hierin die Absicht der Ermöglichung einer anderen Straftat, nämlich des Vergehens des Schwangerschafts­abbruchs gesehen und in der Revision die Feststellung dieses Mordmerkmals geltend gemacht.

Dem tritt der 2. Strafsenat entgegen (Rn. 9): „Zur Ermöglichung einer anderen Straftat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB tötet, wer einen Menschen zur Erreichung eines weiteren kriminellen Ziels tötet. Der Tod des Opfers muss nicht notwendiges Mittel zur Ermöglichung der Tat sein (...); es genügt, wenn der Täter sich deshalb zur Tötung entschließt, weil er annimmt, auf diese Weise die andere Straftat rascher oder leichter begehen zu können (...) und ihm zwar nicht der Tod des Opfers, wohl aber die Tötungs­handlung als Tatmittel geeignet erscheint (...). Die „andere Tat“ muss dabei nicht prozess­ual selbstständig im Sinne des § 264 StPO sein; es genügt vielmehr die tateinheitliche Verwirklichung eines gegen ein anderes Rechts­gut desselben oder eines anderen Tatopfers gerichteten weiteren Straftatbestandes (...). Ermöglichungs­absicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB setzt jedoch voraus, dass der Täter in der Absicht tötet, zusätzliches kriminelles Unrecht verwirklichen zu können; die besondere Verwerflichkeit der Tötung eines anderen zu diesem Zweck liegt darin, dass der Täter bereit ist, das Leben eines anderen als Mittel zur Begehung einer weiteren Tat einzuset-zen, zur Verwirklichung seiner kriminellen Ziele also notfalls über „Leichen zu gehen“ (...). Die Ermöglichung einer anderen Straftat muss dabei das handlungs­leitende Motiv des Täters sein.“

(Rn. 10) Vorliegend habe der Angekl. aber keine weitere Straftat begehen wollen; vielmehr habe er über die Lebens­vernichtung des Opfers hinaus keinen eigenständigen kriminellen Zweck verfolgt. „Das vom Angeklagten durch die Beendigung der Schwangerschaft verwirklichte weitere Unrecht – die Tötung des noch ungeborenen Lebens – wird bei dieser Sachlage vollständig vom tateinheitlich verwirklichten Vergehen des Schwangerschafts­abbruchs erfasst.“

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