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OLG Suttgart, Urt. v. 30.07.2015 – 2 Ss 9/15: Widerstand gegen Vollstreckungs­beamte

1. Auch gegen eine in erst in einigen Stunden erfolgende Diensthandlung kann Widerstand geleistet werden.
2. Bei § 113 StGB gilt der strafrechtliche Rechtmäßigkeits­begriff.

Sachverhalt:

Die Angekl. hatten sich im Rahmen der Protestaktionen gegen das Fällen von Bäumen im Schlossgarten von Stuttgart auf einem Gelände, für das ein sofort vollziehbares Betretungs­verbot angeordnet war, angekettet und die Ketten einbetoniert. Die Polizeikräfte, die mit der Räumung befasst waren, lösten die Ketten und den Beton mit schwerem Gerät.

Das Landgericht hatte eine Strafbarkeit wegen Widerstandleisten gegen eine Vollstreckungs­handlung abgelehnt, „weil sich die Amtsträger bei der zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt am 14. oder 15. Februar 2012 prophylaktisch erfolgten Widerstandshandlung nicht im „Kontakt­bereich“ der Angeklagten befunden hätten.“ (Rn. 12)

Das OLG lehnte diese Auffassung ab und stellte fest (Rn. 18):
„Unter Widerstand leisten i. S. d. § STGB § 113 StGB ist das – auch untaugliche oder erfolglose – Unter­nehmen zu verstehen, den Amtsträger durch ein aktives Vorgehen zur Unter­lassung der Vollstreckungs­handlung als solcher zu nötigen oder diese zu erschweren (...). Die gegen das Verbringen an einen anderen Ort gerichtete Ankettung der beiden Angeklagten erfüllt diese Voraussetzungen.Selbst wenn man unter­stellt, dass die Angeklagten mit der Ankettungs­aktion bezweckten, öffentliche Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu erzielen (Urteil S. 23), nahmen sie zumindest billigend in Kauf, dass dieser Zweck nur dadurch erreicht werden konnte, dass die Polizei die Ankettung jeweils mit technischem Gerät durchtrennen musste, um das Areal zu räumen. Diese Erschwerung der Räumung, die vom Eventualvorsatz der beiden Angeklagten umfasst war, genügt für Ferner stellte der Senat fest, dass es sich um die Anwendung von Gewalt handle, wenn sich ein Demonstrant einbetonieren lasse. Hier werde nicht lediglich passiver Widerstand geleistet.die Annahme einer Widerstandsleistung.“

Ferner stellte der Senat fest, dass es sich um die Anwendung von Gewalt handle, wenn sich ein Demonstrant einbetonieren lasse. Hier werde nicht lediglich passiver Widerstand geleistet (Rn. 19).

Auf einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Widerstands- und der Vollstreckungs­handlung komme es nicht an (Rn. 22).

Schließlich bestätigt das OLG den strafrechtlichen Rechtmäßigkeits­begriff für § 113 StGB:
„Nach diesem eingeschränkten Prüfungs­maßstab hängt die Rechtmäßigkeit von der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Beamten zum Eingreifen sowie von den zum Schutz des Betroffenen geltenden wesentlichen Förmlichkeiten ab, soweit solche vorgeschrieben sind. Bei der Konkretisierung dieser Anforderungen haben die Strafgerichte der Bedeutung der durch die Diensthandlung betroffenen Grundrechte Rechnung zu tragen. Werden dem Amtsträger ohne Weiteres erkennbare rechtliche Voraussetzungen seiner Befugnisse nicht beachtet, überwiegt das in einem Rechts­staat wichtige Interesse des Bürgers, darauf vertrauen zu dürfen, dass die Amtsträger die allgemeinen Anforderungen an ein rechtmäßiges Verhalten kennen und beachten. Werden entsprechende grundlegende rechtliche Anforderungen an Grundrechts­eingriffe verletzt, darf der auf die Möglichkeit zur Ausübung seines Grundrechts gerichtete Widerstand des Grundrechts­trägers gegen die Diensthandlung – für den kein Anlass bestanden hätte, wenn ein verständiger Amtsträger die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen eines solchen Grundrechts­eingriffs beachtet und ihn deshalb unter­lassen hätte – nicht nach § 113 Absatz 1 StGB mit einer strafrechtlichen Sanktion geahndet werden (...).“

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