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AG Köln, Urt. v. 10.08.2016 – 523 Ds 154/16: Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft auf einer öffentlichen Veranstaltung

Das AG Köln hat die Angekl. wegen Beschimpfung von Religionsgemeinschaften gemäß § 166 Abs.2 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt.

„Sie hat öffentlich eine im Inland bestehende andere Religionsgemeinschaft in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Der Islam ist unzweifelhaft eine Religionsgemeinschaft, die auch im Inland besteht. Ein Inlandsbezug ist bereits dann gegeben, wenn sich die Mitglieder einer ausländischen Religionsgemeinschaft im Inland in einer Gemeinde vereinigt haben (...).
Die Angeklagte hat diese Religionsgemeinschaft auch beschimpft. Der Begriff des Beschimpfens umfasst sowohl die Behauptung einer schimpflichen Tatsache als auch ein abfälliges Werturteil (...). Das Gericht war sich bei seiner Einschätzung dessen bewusst, dass grundsätzlich eine Vermutung für die freie Rede gilt, insbesondere öffentlich gehaltene Reden stets im Lichte des Artikel 5 Grundgesetz zu sehen sind. Soweit in dem Ausspruch eine sachliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch der muslimische Glaube zu Deutschland gehört oder nicht, enthalten ist, ist diese Äußerung im Lichte der Meinungs­freiheit in strafrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Sachaussage der Angeklagten lautet dementsprechend, dass nach ihrer Auffassung der Islam nicht zu Deutschland gehört. Neben der sachlichen Aussage wohnt der hier in Rede stehenden Äußerung allerdings eine weitere – nicht sachliche – beschimpfende – Aussage inne. Indem die Angeklagte nämlich metaphorisch den Vergleich zwischen der Zugehörigkeit des Islams zu Deutschland mit der Zugehörigkeit von Fäkalien auf einen Esstisch zieht, überschreitet sie nach Auffassung des Gerichts erkennbar und bewusst die Grenzen einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem einzigen Ziel, die im Inland bestehende Religionsgemeinschaft der Muslime zu beschimpfen und verächtlich zu machen. Dass es ihr gerade auf die negative Assoziation des Islams zum Fäkalbegriff „Scheiße“ ankommt zeigt sich daran, dass hier nicht etwa ein – in diesem Zusammenhang näher liegender – Vergleich dergestalt gebracht wird, dass der Islam zu Deutschland gehört, wie etwa Füße auf den Esstisch. Insoweit wird bewusst eine Überschreitung zur Fäkalsprache vorgenommen. (...)

Die Beschimpfung wurde auch öffentlich vorgenommen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Äußerung im Rahmen einer politischen Rede vor ca. 100- 150 Zuschauern gehalten wurde. Hierbei handelt es sich um einen nicht ohne weiteres überschaubaren Personenkreis. (...)

Die Beschimpfung war darüber hinaus geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. § 166 StGB ist insoweit ein abstraktes Gefährdungs­delikt (...). Eine Störung oder eine konkrete Gefährdung des Friedens muss daher nicht eintreten. Es genügt das Vorliegen berechtigter Gründe für die Befürchtung des Eintritt einer Friedensstörung (...).

Die Eignungs­klausel dient nach herrschender Meinung in der Praxis zur Ausscheidung nicht strafwürdig erscheinender Fälle, etwa wegen besonderer Dummheit oder Abwegigkeit beschimpfender Äußerungen (...). Nach Auffassung des erkennenden Gerichts, war die hier getroffene Äußerung geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Insoweit ist der politische Kontext, in dessen Rahmen die Äußerung gefallen ist, zu berücksichtigen: Seit der Zunahme terroristischer Anschläge insbesondere durch Anhänger des sogenannten „Islamischen Staates“ haben sich in Teilen der Bevölkerung Vorbehalte gegen Zuwanderer muslimischen Glaubens entwickelt. Gerade dieser Teil der Bevölkerung sollte durch die Aussage angesprochen werden. In der Kombination aus der Sachaussage (der Islam gehört nicht zu Deutschland) mit dem metaphorischen beschimpfenden Teil der Aussage (wie Scheiße auf den Esstisch) ist eine deutliche Ablehnung der Anwesenheit muslimischer Mitbürger zu erkennen. Im Kontext der politischen Diskussion war die Aussage daher geeignet, weitere Ressentiments gegenüber den hier lebenden Personen muslimischen Glaubens zu schüren. In der aktuellen, „aufgeheizten“ Situation steht nach Auffassung des Gerichts daher die Gefahr, dass es zu Ausschreitungen der Betroffenen, zu Gewalt­tätigkeiten gegen sie oder auch durch weiteres Aufgreifen der Beschimpfung durch Dritte zu einer Störung des öffentlichen Friedens kommen kann.

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