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BGH, Beschl. v. 10.03.2016 – 3 StR 404/15: Zum Begriff des Einsteigens i.S.v. § 243 I 2 Nr. 1, § 244 I Nr. 3 StGB

Wer eine Räumlichkeit durch eine zum ordnungs­gemäßen Zugang bestimmte Tür betritt, steigt nicht im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ein, unabhängig davon, auf welche Weise er die Tür geöffnet hat.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grund:
„Am 20. August 2013 griff der Angeklagte durch ein auf Kipp stehendes Fenster eines Wohnhauses und löste die am oberen Fensterrahmen angebrachte Verriegelungs­schiene. Dadurch war es ihm möglich, das Fenster weiter nach hinten zu kippen und den Griff der danebenliegenden Terrassentür umzulegen. Durch die auf diese Weise geöffnete Tür verschafften sich der Angeklagte und weitere Beteiligte Zutritt zu dem Wohnhaus und entwendeten aus diesem Alkoholika.“

Das Berufungs­gericht war der Auffassung, unter Einsteigen i.S.v.
§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB, sei „jedes nur unter Schwierigkeiten mögliches Eindringen durch eine zum ordnungs­gemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung“. Dieses Merkmal sei erfüllt, „weil es bei der Terrassentür, die der Angeklagte nur mit großem Geschick habe öffnen können, an einer entsprechenden Bestimmung fehle.

Das OLG legte dem BGH nun die folgende Frage vor:
„Liegt ein Einsteigen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor, wenn der Täter zwar eine zum ordnungs­gemäßen Zugang bestimmte Öffnung benutzt, jedoch das Eindringen durch diese Öffnung eine manipulative Überwindung einer zum Öffnen nicht bestimmten mechanischen Sperre – ohne gewissen Kraftaufwand, Substanzverletzung oder Einsatz eines auf den Schließmechanismus wirkenden Werkzeugs – erfordert?“

Der BGH verneinte die Vorlagefrage – in Übereinstimmung mit dem Generalbundes­anwalt – und beruft sich dabei, auf die Rechts­prechung des Reichsgerichts, der Bundes­gerichtshofs, die Gesetzesmaterialien und stellt zudem fest, dass die von dem Senat hier vertreten Auffassung auch in Literatur weitestgehend nicht bestritten werde.

Außerdem beruft sich der Senat auf die Binnen­systematik von §§ 243, 244 StGB (Rn. 15):
Der Alternative des Eindringens ist zu entnehmen, dass das Betreten durch eine hierzu bestimmte Öffnung nur dann vom Regelbeispiel bzw. der Qualifikation erfasst sein soll, wenn dies unter Nutzung eines falschen Schlüssels oder eines anderen nicht zur ordnungs­gemäßen Öffnung bestimmten, auf den Schließmechanismus einwirkenden (...) Werkzeuges geschieht. Fälle der Überwindung sonstiger entgegenstehender Hindernisse werden wiederum (nur) dann von der Tathandlungs­modalität des
Einbrechens erfasst, wenn der Täter entweder die Substanz der Umschließung verletzt oder nicht unerhebliche körperliche Kraft aufwenden muss (...). Fehlt es – wie nach Ansicht des vorlege
nden Oberlandes­gerichts im vorliegenden Fall – an einer dieser Voraussetzungen, kann dem nicht dadurch begegnet werden, dass das Vorgehen nunmehr unter den Begriff des Einsteigens subsumiert wird.“

Schließlich führt der Senat den allgemeinen Sprachgebrauch ind Feld (Rn. 16) : „Das hergebrachte Begriffsverständnis deckt sich schließlich mit dem allgemeinen Sprachgebrauch. Dieser
versteht Einsteigen als das Sichverschaffen unrechtmäßigen Zutritts durch Hineinklettern (siehe www.duden.de/rechts­chreibung/einsteigen#Bedeutung2). Soweit diese Definition die Stelle des Zutritts nicht näher umschreibt, bedeutet dies in der Sache keinen Unterschied. Denn dafür, dass eine zum ordnungs­gemäßen Eintreten bestimmte Öffnung als Ort des Zugangs ausscheidet, spricht bereits das Erfordernis des Hineinkletterns, unabhängig davon, ob man dar­unter lediglich auf- und absteigende bzw. „herablassende“ (...) oder auch kriechende Bewegungen versteht (...).

Auch dem kriminalpolitischen Argument erteilt der BGH eine Absage (Rn. 17):
„Dass möglicherweise Sinn und Zweck der gesteigerten Strafdrohung – der erhöhte Rechts­frieden des Verwahrungs­ortes (...) sowie die in den Anstrengungen des Täters zum Ausdruck kommende besondere Geflissentlichkeit und Hartnäckigkeit des Diebes (...) – auch die vorliegende Konstellation erfassen, rechtfertigt es nicht, das anhand der historischen, systematischen und grammatikalischen Auslegung gefundene, eindeutige Ergebnis zu revidieren. Die teleologischen Erwägungen könnten – bei tatsächlich vergleichbarer Gewichtigkeit der Fälle – allenfalls zu der Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles des § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB führen (...)“

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