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BGH, Beschl. v. 1.06.2016 – 2 StR 335/15: Zum Vermögensbegriff bei § 253 StGB; Divergenzvorlage des 2. Senats

Sachverhalt:

Die drogensüchtigen Angeklagten D, S und B drangen in die Wohnung des Dealers N ein, schlugen auf diesen ein, bedrohten ihn mit einem spitzen Gegenstand und erreichten so die Herausgabe von drei Plomben Heroin. Das LG verurteile D und S u.a. wegen schwerer räuberischer Erpressung und B wegen Beihilfe zu dieser.

Aus den Gründen:

 Der 2. Senat hält die Revisionen begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Beteiligung an einer besonders schweren räuberischen Erpressung richten. Der Senat will an der Rspr. des BGH, nachdem dem Vermögen i.S.d. §§ 253, 263 StGB auch der unerlaubte Besitz von Betäubungs­mitteln zuzurechnen sei, nicht festhalten und entscheiden, dass die Nötigung zur Übertragung von unerlaubtem Besitz nicht das strafrechtlich geschützte Vermögen betrifft. Er fragt deshalb wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung der Rechts­frage bei den anderen Strafsenaten an (Rn. 3).

 Der Senat führt aus, dass der unerlaubte Besitz von Betäubungs­mitteln kein Bestandteil des nach §§ 253, 263 StGB geschützten Vermögens sei (Rn. 16). Außerhalb des Rechts gebe es kein strafrechtlich schutz­würdiges Vermögen. Der Verlust von unerlaubtem Besitz sei gerade der rechtlich erwünschte Zustand. (Rn. 17). Es stehe im Widerspruch, den (illegalen) Besitz auf der einen Seite und den Besitzentzug auf der anderen Seite zu bestrafen (Rn. 18).

 Das Strafrecht dürfe nicht dazu dienen, strafbare Positionen zu schützen und somit eine „faktische Anerkennung des Unrechts­verkehrs“ vorzunehmen (Rn. 19). Die Strafbarkeit nach anderen Straftatbeständen als den Vermögensdelikten (u.a. §§ 29 ff BtMG, 240, 261 StGB) verhindere, dass ein strafrechts­freier Raum entstehe (Rn. 23). Die Vermögensdelikte hätten darüber hinaus nicht die Aufgabe Strafbarkeits­lücken zu vermeiden und die allgemeine Rechts­ordnung zu schützen (Rn. 24 f.).

 Die Besitzschutz­regeln der §§ 858 ff. BGB würden nicht dem Schutz des Vermögensbestands dienen und besagten nichts über die Legitimität des Besitzes, sie änderten daher nichts an der strafrechtlichen Bewertung des Vermögens (Rn. 29). Drogen hätten auf dem legalen Markt, solange keine Ausnahmegenehmigung vorliegt, keinen Wert; dies müsse auch im Strafrecht zur Vermeidung einer faktischen Anerkennung des illegalen Marktes gelten (Rn. 30).

 Letztlich sei auch nicht deshalb ein vermögensrechtlicher Schutz geboten, weil in Wegnahmefällen ein Eigentumsdelikt vorliege (Rn. 31). Zivilrechtlich bestehe kein vollwertiges Eigentum, da die Ansprüche aus §§ 903, 985 BGB wegen § 29 BtMG ausgeschlossen sind. Nach Ansicht des 2. Senats sei auch der Schutz durch die Eigentumsdelikte (z.B. §§ 242, 249 StGB) zu verneinen (Rn. 34).

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