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BGH, Urt. v. 03.03.2016 – 4 StR 496/15: Zum Wettbetrug und zur Anwendbarkeit deutschen Strafrechts

Sachverhalt:

Der niederländische Angekl. R, wettete von den Niederlanden aus auf bestimmte Fußballspiele bei in Asien ansässigen Wettanbietern jeweils mind. 100.000 € auf eine Niederlage des Vereins P. Vorher hatten die Angekl. S – Berufsfußballspieler bei P – und H, dem R vorgespiegelt für eine Niederlage des P zu sorgen. R zahlte dafür 30.000 € an S und H und einen Vorschuss in gleicher Höhe für das nächste Spiel. Bei seinen Wetten, bei denen R auf die Ernsthaftigkeit der Manipulations­zusage von S und H vertraute, verteilte er die Platz­ierungen auf verschiedene Internet-Wettkonten, weil die Wettanbieter zur Vorbeugung vor Wettbetrug in den Programmen Höchstgrenzen für Wetteinsätze festgelegt hatten, bei deren Überschreitung die Wette nicht mehr automatisiert, sondern erst nach einer persönlichen Kontrolle durch einen Mitarbeiter erfolgen durfte. Die Wetten wurden daher von den asiatischen Anbietern maschinell – ohne Prüfung – und in Un­kenntnis der Manipulations­zusage angenommen. In den ersten beiden Fällen gewann R die Wetten und erhielt mind. das 1,8-fache seiner jeweiligen Wetteinsätze als Gewinn ausbezahlt. Im letzten Fall, in dem R keinen Vorschuss an S und H geleitstet hatte, ging die Wette verloren.
Das LG hat S und H vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen. Das Verfahren gegen R wurde eingestellt.

Aus den Gründen:


Der BGH hält die Wertung des LG, S und H hätten sich an den Haupttaten des R lediglich als Anstifter oder Gehilfen beteiligt für vertretbar; die Annahme, R habe lediglich einen untauglichen Versuch des Computer­betrugs begangen und S und H hätten das gewusst, sei aber rechts­fehlerhaft.

Der BGH hat „eine Strafbarkeit des Wettenden wegen – ggf. vollendeten – Computer­betrugs gemäß § 263a StGB beim „Sportwettenbetrug“ in den Fällen des Abschlusses von Wettverträgen über das Internet bejaht. Danach sind die Voraussetzungen der Tatmodalität des unbefugten Verwendens von Daten (…) erfüllt (betrugs­spezifische Auslegung). Die Täuschungs­äquivalenz ist in Fällen (…), in denen die Wetten über das Internet automatisiert abgeschlossen werden, jedenfalls dann zu bejahen, wenn – wie hier – die Datenverarbeitungs­programme durch die Festlegung von Höchstgrenzen für Wetteinsätze den Willen der Wettanbieter dokumentieren, Wetten auf manipulierte Spiele gar nicht oder jedenfalls nicht zu den gegebenen Wettquoten zuzulassen.“ (Rn. 10)

In den zwei Fällen, „in denen die Wettanbieter den entsprechend der vereinbarten Quote berechneten Gewinn ausbezahlt und dadurch für sich einen Vermögensverlust in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn herbeigeführt haben, ist jeweils Vollendung mit einem Schaden in dieser Höhe eingetreten.“ (Rn. 11) Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Spiele in Wahrheit nicht manipuliert gewesen waren. Der BGH hatte bereits in einer früheren Entscheidung unter dem Gesichtspunkt des „Erfüllungs­betrugs“ die Vollendung in einem ähnlichen Fall bejaht (vgl. Rn. 12 f.).

Im Fall der verlorenen Wette „hat das LG zwar (…) „ein(en) etwaige(n) Quotenschaden“ (und damit die Frage der Vollendung der Haupttat) von der Strafverfolgung ausgenommen. Der verbleibende Versuch ist aber nach dem vorstehend Ausgeführten ein tauglicher“ und S und H damit nicht straflos. (Rn. 16)

Der Verfolgung des R steht „das Fehlen der deutschen Strafgerichtsbarkeit und damit ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis entgegen.“ (Rn. 20)
„R hat in den genannten Fällen den Computer­betrug zum Nachteil der asiatischen Wettanbieter von den Niederlanden aus begangen. Ein inländischer Tatort im Sinne der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ist den Feststellungen nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.“ (Rn. 20) „Das deutsche Strafrecht ist auch nicht über § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB anwendbar, schon weil (…) R nicht im Inland betroffen wurde.“ (Rn. 21)

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