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OLG Hamm, Beschl. v. 12.05.2016 -1 RVs 18/16: Zur Urkunden­fälschung durch Herstellen einer Urteilsabschrift

Leitsatz: Das Herstellen und Gebrauchen einer gefälschten einfachen Urteilsabschrift ist im Regelfall keine strafbare Urkunden­fälschung.

Sachverhalt:

Der Zeuge C beauftragte den als Rechts­anwalt niedergelassenen Angekl. A damit, einen Restlohnanspruch gegenüber seiner ehemaligen Arbeitgeberin geltend zu machen. Abgesehen von einem anwaltlichen Schreiben an die Arbeitgeberin entfaltete A jedoch keine anwaltliche Tätigkeit. Auf die mehrfachen Erkundigungen des C nach dem Stand der Sache teilte A dem C wahrheitswidrig mit, dass er gegen die Arbeitgeberin Klage eingereicht und C gewonnen habe. Nachdem C beim Arbeits­gericht erfuhr, dass sich das fragliche Gerichts­verfahren nicht „im Computer finde“, wurde er misstrauisch und suchte die Kanzleiräume des A auf, wo ihm mitgeteilt wurde, dass er das Urteil am folgenden Tag abholen könne. Damit seine Notlüge nicht auffliegen würde und C erneut ruhiggestellt würde, entschloss A sich, am Computer ein Schriftstück zu erstellen, das wie die Abschrift eines gerichtlichen Urteils aussehen sollte. Er verwandte hierzu ein fiktives Aktenzeichen, verwendete das Wappens des Arbeits­gerichts und fertigte in der gerichtstypischen Schriftart ein angebliches „Aner­kenntnisurteil“ zugunsten des C. Dieses Schreiben druckte A aus und versah es oben mittig mit einem Stempelaufdruck „Abschrift“. Einen Beglaubigungs­vermerk, das Wort „Ausfertigung“ oder einen weiteren Stempelaufdruck mit der Bezeichnung des Gerichts brachte er nicht an. Die „Urteilsabschrift“ übergab er dem C in einem Briefumschlag. C wunderte sich zwar, dass das Urteil bzw. die Kopie keinen förmlichen Stempelaufdruck aufwies, hatte letztlich aber keine Vorstellung davon, wie ein solches Urteil auszusehen hat. Er begab sich daher mit der „Urteilsabschrift“ erneut zum Arbeits­gericht, wo er vergeblich die Erteilung einer beglaubigten Abschrift beantragte.

Das LG hat das Verhalten des A als Urkunden­fälschung iSd § 267 Abs. 1 StGB gewertet.

Aus den Gründen:

Zwar werden in der Rechts­prechung gewisse einfache Abschriften als Urkunden angesehen, wenn sie kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der Urschrift treten oder sie als die von dem angeblichen Aussteller herrührende Urschrift ausgegeben oder unter Umständen verwendet werden, die den Anschein erwecken können und sollen, als sei die Abschrift von dem Aussteller der Urschrift oder doch wenigstens mit seiner Zustimmung zu dem Zweck hergestellt worden, im Rechts­leben als Ersatz der Urschrift zu dienen. Urteilsabschriften treten jedoch gerade nicht wie Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der bei den Gerichtsakten verbleibenden Urschrift eines gerichtlichen Urteils. Das von A erstellte Schriftstück wurde zudem nicht als die von dem angeblichen Aussteller herrührende Urschrift, sondern als ausdrücklich so bezeichnete Abschrift ausgegeben, die nicht einmal ihren vermeintlichen Aussteller erkennen lässt. Allein die mit einer einfachen Abschrift bzw. deren Vorlage verbundene Behauptung des Vorlegenden, dass eine Urkunde des aus der Abschrift ersichtlichen Inhalts existiere, genügt nicht, um diese einfache Abschrift selbst als Urkunde im strafrechtlichen Sinne anzusehen.

Auch die Tatsache, dass A hier zu einer entsprechenden Unterrichtung bzw. Information des C sowohl vertraglich als auch berufsrechtlich verpflichtet gewesen sein dürfte und sich der Erfüllung dieser Verpflichtungen durch eine Täuschung entzogen hat, lässt allein noch nicht darauf schließen, dass es sich bei dem hierfür erstellten und verwandten Schriftstück auch um eine Urkunde handelt.

Der Rechts­verkehr darf auch bei gerichtlichen Entscheidungen nicht auf die Vorlage von einfachen Abschriften vertrauen. Denn es besteht für den jeweiligen Teilnehmer am Rechts­verkehr durchaus die Möglichkeit, die Vorlage von beglaubigten Abschriften oder Ausfertigungen zu verlangen; genügt ihm als Nachweis gleichwohl eine einfache Abschrift einer z.B. tatsächlich nicht existenten Urschrift, mag zwar eine gegebenenfalls nach § 263 StGB strafbare Täuschung durch den Vorlegenden anzunehmen sein, bei der aber regelmäßig keine Urkunde Verwendung gefunden hat. Auch der Umstand, dass im alltäglichen Leben mittlerweile verschiedenen Arten von Schriftstücken wie z.B. Fotokopien, Telefaxschreiben oder (ausgedruckten) E-Mails erhebliche Bedeutung bzw. auch ein erheblicher Beweiswert beigemessen wird, begründet jedoch nach ständiger Rechts­prechung grundsätzlich noch nicht deren Urkunden­qualität.

Schließlich wurde auch bedacht, dass bestimmte gerichtliche Urteile öffentliche Urkunden iSd § 271 StGB darstellen können, sodass bereits einfachen Abschriften gerichtlicher Entscheidungen ein besonderes Vertrauen in deren Echtheit entgegengebracht werden kann. Selbst einer unbeglaubigten Abschrift einer vermeintlichen öffentlichen Urkunde mangelt es aber im Allgemeinen – soweit ihr nicht durch besondere Gesetze Beweiskraft beigelegt wird – an der Urkunden­eigenschaft.

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