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OLG Hamm, Urt. v. 12.07.2016 – 10 U 83/15: Zur Urkunden­fälschung durch Niederschrift eines Testaments

Dem OLG Hamm lag eine Erbstreitigkeit vor, in der zur Frage stand, ob die Klägerin erbunwürdig im Sinne des § 2339 Abs. 1 Ziff. 4 BGB sei, da sie sich in Bezug auf das unwirksame Testament der Erblasserin wegen Urkunden­fälschung strafbar gemacht haben könnte.

Dem Nachlassgericht wurde ein mit „Mein letzter Wille“ überschriebenes handschriftliches Schriftstück vorgelegt, bei welchem unstreitig nur die Unter­schrift von der Erblasserin selbst stammte, während der übrige Text von der Klägerin geschrieben wurde.

Aus den Gründen:
„Ein Gebrauchmachen des Testaments vom 23.10.2009 ist […] keine Urkunden­fälschung im Sinne von § 267 StGB, da das Testament vom 23.10.2009 keine unechte Urkunde ist.

Eine Urkunde ist unecht, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der in der Urkunde als ihr Aussteller erscheint, d.h. wenn tatsächlicher und vermeintlicher Aussteller der Urkunde nicht identisch sind.

Aussteller ist der geistige Urheber der in der Urkunde verkörperten Gedanken­erklärung, d.h. derjenige, der sich die Erklärung zu eigen macht, die Erklärung als seine eigene Erklärung gelten lassen will. Wer eine Urkunde im eigenen Namen unter­schreibt, ist damit grundsätzlich ihr Aussteller, da durch die Unter­schrift in der Regel kenntlich gemacht wird, die verkörperte Gedanken­erklärung als eigene Erklärung gelten lassen zu wollen. Unstreitig hat die Mutter der Parteien das Testament vom 23.10.2009 im eigenen Namen unter­zeichnet. Sie ist damit sowohl tatsächlicher als auch vermeintlicher Aussteller der Erklärung.

Dem steht nicht entgegen, dass die Testier­fähigkeit der Mutter […] in Zweifel steht. Der Unter­zeichnende muss nicht geschäfts- oder testier­fähig sein, um sich eine Erklärung zu eigen machen zu können. Er muss nicht einmal den Inhalt der Erklärung kennen. Es reicht, wenn das Bewusstsein besteht, überhaupt irgendeine Erklärung abzugeben. […].

Das Testament wird auch nicht dadurch zu einer unechten Urkunde, dass der Text über der Unter­schrift unstreitig von einer anderen Person geschrieben wurde. Das Oberlandes­gericht Düsseldorf hat […] zwar entschieden, dass ein handschriftlich von einem Dritten geschriebenes und vom Erblasser nur unter­zeichnetes Testament eine unechte Urkunde sei, wenn es den Eindruck erwecke, es sei insgesamt durch den Erblasser angefertigt worden. Dies ist damit begründet worden, dass eine Vertretung bei der Niederschrift nach § 2247 BGB nicht zulässig sei und nach dem Schutz­gedanken des § 267 StGB auch das Vertrauen des Rechts­verkehrs in die Ordnungs­mäßigkeit der Entstehung einer Urkunde geschützt werde. Deshalb liege in der Herstellung eines Testaments, das den Eindruck erwecke, es sei in vollem Umfang eigenhändig niedergeschrieben und damit formwirksam errichtet worden, eine rechts­widrige Täuschung über den Aussteller.

Dieser […] Entscheidung vermag der Senat aber nicht zu folgen. Wenn der Testierende das Testament selbst unter­zeichnet, erscheint er nicht nur aus der Urkunde als geistiger Urheber der Erklärung, sondern macht damit nach außen deutlich, dass er die Erklärung als eigene Erklärung, als seinen „letzten Willen“ gelten lassen will. Damit stammt die Erklärung ungeachtet der erbrechtlichen Form­vorschriften von ihm. Tatsächlicher und scheinbarer Urheber der Erklärung fallen nicht auseinander. Getäuscht wird nicht über den Aussteller, sondern allenfalls über die Erfüllung der erbrechtlichen Form­vorschriften.“

Unerheblich sei deshalb auch, dass die Stellvertretung hier unzulässig war, weshalb grundsätzlich eine unechte Urkunde vorliegen müsste. Wenn der „Vertretene“ die Urkunde unter­schreibt, mache er sich damit die in der Urkunde enthaltene Erklärung zu eigen.

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