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BGH, Beschl. v. 8.02.2017 – 1 StR 483/16: Betrug durch Versendung von Mahnschreiben

Sachverhalt:

Der Angeklagte A war als Rechts­anwalt tätig und in finanz­iellen Schwierigkeiten. Der Mitangeklagte W betrieb ein Sportgeschäft mit Onlineshop und wollte aufgrund erheblicher Umsatzeinbußen kurzfristig anderweitige Einkünfte erzielen. A und W kamen überein, dass A als anwaltlicher Bevollmächtigter des W Ebayverkäufer von Sportartikeln wegen angeblicher Verschleierung ihrer Unternehmereigenschaft nach § 3 UWG abmahnen sollte, wobei sie die von den abgemahnten Personen gezahlten Gelder hälftig unter sich aufteilen würden. Für den Fall, dass die Abgemahnten nicht zahlten, sollten W keine Kosten für die Tätigkeit des A entstehen. Entsprechend diesem Tatplan schrieb A die Ebayverkäufer mit einem Serienbrief an und mahnte sie im Namen von W wegen getätigter Verkäufe ab, weil sie im Wettbewerb mit diesem stünden. Aufgrund der Vielzahl an Ebayverkäufen seien sie als Unternehmer anzusehen und würden ihre Unternehmereigenschaft verschleiern. Dieses unlautere Verhalten begründe einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil gegenüber W. Den Schreiben lag jeweils eine strafbewehrte Unterlassungs­erklärung sowie eine Gebührenberechnung der zugleich geltend gemachten Abmahnkosten bei, wobei A behauptete, dass diese Kosten seinem Mandanten W als Schaden durch seine Beauftragung als Rechts­anwalt entstanden seien. Aufgrund dieses Schreibens zahlten 25 Geschädigte die geforderten Beträge an A.

Aus den Gründen:

In der Geltendmachung der Abmahnkosten als Schaden für die Beauftragung eines Rechts­anwalts zur Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche ist eine Täuschung der abgemahnten Ebayverkäufer im Sinne des § 263 I StGB zu sehen. A erklärte in den Schreiben zumindest konkludent, dass der Forderung ein wettbewerbsrechtlich bedeutsamer Abmahnvorgang zugrunde lag und dass es nicht um die bloße Generierung von Rechts­anwaltsgebühren ging, es sich mithin um keine rechts­missbräuchliche Geltendmachung der Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs handelte. Das Handeln von A und W war jedoch rechts­missbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Danach ist ein typischer Fall einer rechts­missbräuchlichen Geltendmachung der Ansprüche gegeben, wenn vorwiegend ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechts­verfolgung entstehen soll. Das Handeln von A und W war ausschließlich darauf ausgerichtet, solche Einnahmen zu generieren, um ihre wirtschaft­liche Lage zu verbessern; weitergehende wettbewerbsrechtliche Ziele verfolgten sie nicht. Die vorliegende Fallkonstellation, in der der abmahnende Mandant mit seinem Rechts­anwalt vereinbart, dass er keine Rechts­anwaltskosten zu tragen habe und er die vom Abgemahnten gezahlten Gelder mit dem Anwalt teilen werde, ist ein „klassischer Fall“ des Rechts­missbrauchs.

Die konkludente Erklärung der berechtigten Abrechnung der Abmahnkosten stellt zudem nicht lediglich ein Werturteil, sondern eine Täuschung über den zugrundeliegenden Tatsachenkern dar. Die Empfänger der Erklärungen wurden nach der Verkehrs­anschauung nämlich nicht nur über die Rechts­frage getäuscht, ob ein Anspruch besteht, sondern über die tatsächliche eigentliche Zielrichtung der Abmahnschreiben, das darin bestand, rechts­missbräuchliche Gebührenforderungen zu generieren anstatt ein Unterlassen des unlauteren Verhaltens zu bewirken. Damit wurde über innere Tatsachen getäuscht.

Den Geschädigten, die die Abmahnkosten beglichen haben, ist dadurch ein Schaden in Höhe des gesamten Zahlungs­betrags entstanden.

Das Zurverfügungs­tellen der mit der Unterschrift des A versehenen Blanko-Rechnungs­vorlagen stellt eine Beihilfe zu der Tat des W dar. Mit dem Übersenden der Rechnungs­vorlagen förderte A die Tat maßgeblich, weil erst diese Vorlagen die betrügerischen Rechnungs­stellungen überhaupt ermöglichten.

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