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BGH, Urt. v. 07.06.2017 – 2 StR 474/16: Zu den Mordmerkmalen der Verdeckungs­absicht und der Heimtücke

Sachverhalt:

Der alkoholisierte Angekl. A, der sein letztes Geld für Bier ausgegeben hatte, steckte ein Küchenmesser (Klingenlänge: 15 cm) in seinen Hosenbund, um einen Taxifahrer damit zu bedrohen und zu berauben. Unter­wegs im Taxi des Z verwarf A seinen ursprünglichen Plan. Bei Fahrtende bot A eine Zahlung mit Bank- oder Kreditkarte an bzw. ihm seinen Personalausweis zurückzulassen und am nächsten Tag zu zahlen. Beides lehnte Z ab. Alsbald erschien Taxifahrer O, ein Bekannter des A. A bat O einen Bekannten zu kontaktieren, der für ihn bürgen könnte. Dieser war jedoch nicht erreichbar. Als O die beiden alleine ließ, wollte Z mit A zur nächsten Polizeiwache fahren. A wollte aber auf keinen Fall zur Polizei, weil er eine Strafanzeige gegen ihn wegen Betrugs befürchtete. Unter dem Einfluss seiner Alkoholisierung geriet er in einen affektiven Erregungs­zustand. Er zog das Küchenmesser und stach auf Z ein, wobei er dessen Tod billigend in Kauf nahm. Für Z war der Angriff vollkommen überraschend. Bereits der erste Stich in den Hals war tödlich. Als Z rückwärts aus der geöffneten Fahrertür fiel, stach A weiter auf ihn ein und floh dann zu Fuß. Z verblutete.

Aus den Gründen:

Die Revision, die auf eine Verurteilung des A wegen Mordes gemäß § 211 abzielt, ist begründet. A handelte sowohl mit Verdeckungs­absicht, als auch heimtückisch.

A erfüllte bereits bei Fahrantritt den Straftatbestand des Eingehungs­betrugs, da er wusste, dass er den Fahrpreis nicht zahlen konnte und Z hierüber konkludent täuschte. Der Umstand, dass er seinen Raubvorsatz änderte, lässt seinen Betrugsvorsatz über die fehlende Fähigkeit und Bereitschaft zur Fahrpreiszahlung nicht nachträglich entfallen. Eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat würde nur dann ausscheiden, wenn diese bereits vollständig aufgedeckt ist und der Täter dies weiß. „Glaubt er jedoch, mit der Tötung eine günstige Beweisposition aufrechtzuerhalten oder seine Lage verbessern zu können, reicht dies für die Annahme von Verdeckungs­absicht aus (…).“ (Rn. 12) Dies wurde vom LG nicht lückenlos ausgeschlossen. A wollte nicht zur Polizei, da er mit einer Strafanzeige des Z rechnete. Dem Vorliegen von Verdeckungs­absicht steht es insoweit nicht entgegen, dass auch O seine Anwesenheit im Taxi sowie die Zahlungs­un­fähigkeit kannte.

Auch die psychische Situation des A steht der Annahme von Verdeckungs­absicht nicht entgegen. „Das Mordmerkmal kann selbst bei einem in einer Augenblickssituation in affektiver Erregung gefassten Tötungs­entschluss gegeben sein. Verdeckungs­absicht erfordert nämlich keine Über­legung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele. Es genügt, dass er die ‚Verdeckungs­lage‘ gleichsam ‚auf einen Blick erfasst‘ (…).“ (Rn. 14)

Lediglich das Handeln mit „nur“ bedingtem Tötungs­vorsatz könnte dem entgegenstehen: „In der Rechts­prechung ist zwar anerkannt, dass auch der mit bedingtem Tötungs­vorsatz handelnde Täter in Verdeckungs­absicht handeln kann. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn nicht gerade der Tod des Opfers zu dessen Ausschaltung als Zeuge wegen der zu verdeckenden Vortat das Ziel der Handlung ist, sondern die Verdeckungs­handlung mit einem anderen Ziel vorgenommen wird, wobei der Täter die Möglichkeit des Todes des Opfers in Betracht zieht und billigend in Kauf nimmt (…).“ (Rn. 17) A handelte jedoch hier mit direktem Tötungs­vorsatz. Er hat Z mit einem für diesen überraschenden ersten Stich in den Hals getroffen, der schon für sich genommen tödlich wirkte. Auch die Zahl der weiteren Stiche sprechen für direkten Tötungs­vorsatz.

Auch Heimtücke sei zu bejahen. Für die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, wenn der Täter sich darüber bewusst ist, dass er einen ahnungs­losen Menschen mit seinem Angriff derart überrascht, dass ihm dieser schutz­los ausgeliefert ist. Das gilt im Einzelfall selbst dann, wenn der Täter die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat. „Wenngleich [A] den Gedanken an einen Raub zurzeit der Tötungs­handlungen aufgegeben hatte, war doch seine Über­legung, den Geschädigten mit dem Einsatz des Messers zu überraschen, bereits vor seinem Tatentschluss zur Tötung des Taxifahrers vorhanden gewesen. Dies hätte als Indiz für ein Ausnutzungs­bewusstsein (...) berücksichtigt werden müssen.“ (Rn. 22)

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