Leitsätze:
1. Die Ankündigung eines Übels für den Fall einer bestimmten Reaktion auf ein etwaiges zukünftiges Verhalten des Täters kann eine Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1StGB sein. Bereits durch die Androhung eines derart bedingten Übels kann eine Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung begründet werden.
2. Von einer solchen versuchten Nötigung kann der Täter unter Umständen dadurch, dass er von dem zur Bedingung für die Übelszufügung gemachten eigenen zukünftigen Verhalten Abstand nimmt, strafbefreiend zurücktreten.
Sachverhalt:
A ging während des Fußmarsches einer Demonstration – entgegen der polizeilichen Anweisung – wiederholt mitten auf der Straße. Der Polizeibeamte K forderte ihn deshalb mehrfach auf, sich zurück an den rechten Fahrbahnrand zu begeben und in den Zug der Veranstaltungsteilnehmer einzuscheren. A widersetzte sich diesen Aufforderungen wiederholt. K wandte deshalb letztlich einfache körperliche Gewalt gegen A an, indem er diesen leicht am linken Arm schob und so an den rechten Fahrbahnrand zurückführte. Damit K es unterließe, ihn ein weiteres Mal in den Demonstrationszug zu verweisen, reagierte A mit den Worten: „Pass auf oder ich knüppel dich nieder!“. K nahm die Drohung ernst und zwar insbesondere angesichts der Fahnenstange, die A mit sich führte. In der Folgezeit versuchte A indes nicht mehr, in der Mitte der Straße zu gehen.
Aus den Gründen:
A hat den Tatbestand der versuchten Nötigung gemäß §§ 240 Abs. 1 und Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB erfüllt. Die Äußerung „Pass auf oder ich knüppel dich nieder!“ stellt eine Drohung mit einem empfindlichen Übel dar. Mit dieser Drohung wollte A den K zu einer Unterlassung polizeilichen Einschreitens und zur Duldung einer Handlung des A veranlassen.
Unerheblich ist, dass der beabsichtigte Nötigungserfolg nur hätte eintreten können, wenn A erneut in die Mitte der Fahrbahn getreten wäre, also der Eintritt des Taterfolges von einer weiteren Handlung des A und damit einer Bedingung abhängig war. Denn eine Nötigung kann auch dadurch begangen werden, dass das Opfer durch eine Drohung dazu veranlasst wird oder veranlasst werden soll, beim Eintritt eines bestimmten zukünftigen Ereignisses eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen. Der Eintritt dieser Bedingung braucht dabei zum Zeitpunkt der Nötigungshandlung nicht sicher festzustehen. Jedenfalls dann, wenn der Eintritt der Bedingung vom jederzeit realisierbaren Willen des Nötigenden abhängt, liegt eine Drohung mit einem empfindlichen Übel vor und stellt ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung dar. Durch den Ausspruch der Drohung hat A die Versuchsschwelle überschritten und eine versuchte Nötigung begangen. Denn ein Versuch liegt vor, sobald der Täter mit der Anwendung der Nötigungsmittel beginnt.
Von dieser versuchten Nötigung ist A indes strafbefreiend zurückgetreten. Die versuchte Nötigung war nicht fehlgeschlagen, da A angenommen hat, K habe seine Drohung ernst genommen und werde ihn deshalb nicht erneut an den Straßenrand verweisen.
Der Versuch war vorliegend unbeendet. A wusste nach dem Ausspruch seiner Drohung zweifelsohne, dass der beabsichtigte Nötigungserfolg – das Unterbleiben eines erneuten Einschreitens des Polizeibeamten – nur würde eintreten können, wenn er erneut aus dem Demonstrationszug heraus in die Mitte der Straße treten würde. Ohne weiteres Zutun des A konnte mithin der Taterfolg nicht eintreten.
Zum Rücktritt vom unbeendeten Versuch genügt es, wenn der Täter untätig bleibt. Indem er im weiteren Verlauf der Ereignisse aus eigenem Antrieb und damit freiwillig davon Abstand nahm, erneut aus dem Demonstrationszug herauszutreten und sich auf die Mitte der Straße zu begeben, hat er eine Handlung nicht vorgenommen, die erforderlich gewesen wäre, damit der Nötigungserfolg hätte eintreten können. A ist damit von der versuchten Nötigung zurückgetreten.
Zum Volltext bei beck-online.de OLG Celle Beschl. v. 8.6.2017 – 1 Ss 25/