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BGH, Urt. v. 11.09.2018 – 1 StR 413/18: Zum Finalzusammenhang beim Raub

Sachverhalt:

Der Angekl. A forderte von H Zahlungen i.H.v. 700 € im Hinblick auf eine – aus seiner Sicht – von diesem zu verantwortende unberechtigte Sicherstellung seines Mobiltelefons durch die Polizei. Vor diesem Hintergrund vermied der leicht einzuschüchternde und ängstliche H, der bereits 150 € an A gezahlt hatte, ein Zusammentreffen mit A. Kurz darauf verabredete sich H mit L in dessen Wohnung. Da H in dem Gebäude Hausverbot hatte, wollte er dieses nicht durch die Eingangstür, sondern über ein zur Straße gerichtetes Fenster des Zimmers betreten. Während L dem H die Hand reichte, um ihm das Einsteigen zu erleichtern, hatte sich A im hinteren Teil des Zimmers versteckt. Noch im Hochklettern bemerkte H den A und versuchte sich von L loszureißen. A sprang daraufhin mit einem Messer aus dem Fenster, wobei er H umstieß und ihm eine tiefe Schnittwunde an der linken Halsseite zufügte, die geeignet war, dessen Leben zu gefährden. Während des Sturzes fiel das Mobiltelefon des H aus seiner Hosentasche. H nahm unter Ausnutzung der von ihm geschaffenen Lage das auf dem Boden liegende Mobiltelefon des H an sich, um es für sich zu behalten.

Aus den Gründen:

„Nach ständiger Rechts­prechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen (…). An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungs­handlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (…). Deshalb genügt der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungs­mittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, für die Annahme eines Raubes nicht. Auch das bloße Ausnutzen der Angst eines der Ein­wirkung des Täters schutz­los ausgelieferten Opfers vor Fortführung bislang nicht auf die Ermöglichung der Wegnahme von Sachen gerichteter Gewalthandlungen reicht (…) nicht aus.“ (Rn. 8)

„Demnach ist der Straftatbestand des Raubes regelmäßig dann gegeben, wenn mit dem Nötigungs­mittel körperlicher Widerstand überwunden oder aufgrund der Zwangs­wirkung unter­lassen und es hierdurch dem Täter ermöglicht wird, den Gewahrsam zu brechen. Der Tatbestand verlangt allerdings nicht, dass der Einsatz des Nötigungs­mittels objektiv erforderlich ist oder die Wegnahme zumindest kausal fördert (…). Es genügt, dass aus Sicht des Täters der Einsatz des Nötigungs­mittels notwendig ist.“ (Rn. 9)

Hier liegt ein solcher Finalzusammenhang nicht vor: Nach den Feststellungen bleibt offen, aus welchen Gründen A sich im Vorfeld der Tat hinter einem Vorhang versteckte sowie ob und wann er sich letztlich zur Wegnahme des Mobiltelefons entschieden hat. „Selbst wenn man davon ausgeht, dass H durch den Messereinsatz eingeschüchtert war und bei Widerstand mit weiterer Gewalt­anwendung rechnete, käme zwar auch eine konkludente Drohung des A als Nötigungs­mittel der Wegnahme in Betracht. Dies würde aber voraussetzen, dass A diese Situation bewusst ausgenutzt hätte, um H zu veranlassen, die Wegnahme zu dulden. Dafür reicht aber nach den bisherigen Feststellungen des LG das bloße Ergreifen des aus der Hosentasche des H gefallenen Mobiltelefons, um es für sich zu behalten, noch nicht. Allein der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmeabsicht eingesetzten Nötigungs­mittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, vermag den erforderlichen Finalzusammenhang nicht zu begründen.“ (Rn. 11)

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