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BGH, Beschl. v. 20.06.2018 – 4 StR 561/17: Zur Untreue eines Geschäftsführers einer GmbH

Der Angekl. G, zum Tatzeitpunkt Geschäftsführer der Entsorgungs­betriebe Essen (E-GmbH), wurde in mehreren Fällen wegen Untreue verurteilt.

Fall 1: G hatte einen bestehenden Zahlungs­anspruch gegen die T-GmbH, die Firma eines Freundes, unter Verwendung von Scheinrechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Mängelbeseitigungs­arbeiten ausbuchen lassen. Dazu hatte er einen Vermerk abgezeichnet, mit dem er die vermeintliche Berechtigung der Gegenansprüche der T-GmbH bestätigte.

„Den Schwerpunkt des vorwerfbaren Verhaltens des [G] bildeten nach den Feststellungen das Verwenden der Scheinrechnungen und das Abzeichnen des Bestätigungs­vermerks (…), auf deren Grundlage die berechtigte Forderung bei der E-GmbH ausgebucht und eine rechtzeitige Geltendmachung ihrer bestehenden Ansprüche gegen die T-GmbH durch die Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungs­ebene verhindert wurde (…). Durch sein Vorgehen verletzte [G] vorsätzlich den in (…) der Geschäftsordnung der E-GmbH aufgestellten Grundsatz der Wirtschaft­lichkeit und Sparsamkeit, der es ihm untersagte, Scheinrechnungen zu berücksichtigen (…). Zugleich verstieß er gegen die ihm gemäß § 41 GmbHG obliegende Pflicht zu ordnungs­gemäßer Buchhaltung, indem er seinen Entschluss, die berechtigte Forderung der von ihm geführten E-GmbH aus sachwidrigen Gründen nicht einziehen zu lassen, durch die Vorlage und Billigung der Scheinrechnungen verschleierte.“ (Rn. 8)

Fall 2: Des Weiteren hatte G die Vergütungs­pauschale eines IT-Spezialisten (H), mit dem die E-GmbH einen befristeten  Beratervertrag geschlossen hatte, nachträglich um mehr als 50 % erhöht.

„Das LG hat die Erhöhung der Vergütungs­pauschale durch [G] (…) zutreffend (…) als Verletzung seiner Geschäftsführungs­pflichten im Sinne des § 266 StGB gewertet. Mit der Vertragsänderung zu Lasten des von ihm geführten Unternehmens verstieß er gegen den in (…) der Geschäftsordnung aufgestellten Grundsatz der Wirtschaft­lichkeit und Sparsamkeit sowie das Verbot der Gewährung unberechtigter Vorteile an Dritte im Sinne (…) des „Public Corporate Governance Kodex“. (Rn. 16)

„Zwar war es [G] nicht grundsätzlich untersagt, die bestehende Rechts­position der von ihm vertretenen E-GmbH aufzugeben und die Vergütungs­pauschale zu deren Ungunsten zu erhöhen. Einen durch den Untreuetatbestand strafbewehrten Grundsatz, wonach Vergütungs­erhöhungen durch den Sparsamkeits­grundsatz gehindert sind, wenn der Betreffende auch zu den ursprünglichen Bedingungen seine Leistungen zu erbringen hat, kennt das deutsche Recht nicht (…). Vielmehr bildet das Sparsamkeits­gebot lediglich den äußeren Begrenzungs­rahmen des dem Unternehmer bei seinen Entscheidungen eingeräumten weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraums. Eine pflichtwidrige Verletzung des Sparsamkeits­gebots liegt regelmäßig erst vor, wenn eine sachlich nicht gerechtfertigte und damit unangemessene Gegenleistung gewährt wird (…). Innerhalb der danach bestimmten Grenzen hat sich die Entscheidung jedoch ausschließlich am Unternehmens­wohl zu orientieren (…).“ (Rn. 17)

„Zwar überschritt [G] die Grenzen des ihm eingeräumten unternehmerischen Ermessens nicht schon mit Blick auf die Höhe der auf 1.500 Euro pro Tag heraufgesetzten Vergütungs­pauschale. Denn nach den Feststellungen hielt sich der vereinbarte Tagessatz, wenn auch am obersten Rand, noch innerhalb des Vergütungs­rahmens für hochqualifizierte IT Projektleiter und Berater. Bei der erhöhten Vergütungs­pauschale handelte es sich jedoch deshalb um eine (…) unangemessene Gegenleistung, weil ihr die offensichtlich ermessensfehlerhafte, nicht ausschließlich am Unternehmens­wohl ausgerichtete Entschließung des [G] zugrunde lag, dem Wunsch des H nach einer höheren Vergütung aus bloßer Gefälligkeit und damit aus einer sachwidrigen Erwägung heraus zu entsprechen.“ (Rn. 18)

Fall 3: Des Weiteren hatte G bei der E-GmbH angestellte und von ihr entlohnte Mitarbeiter dafür abgestellt, Bürgermeister der Stadt unentgeltlich eine längere Zeit zu chauffieren. Er erhoffte sich dadurch einen „guten Draht zur Stadtspitze“.

„Den Schwerpunkt seines pflichtwidrigen Verhaltens im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB bildete das Abzeichnen der Abordnungs­verfügungen (…), aufgrund derer die Mitarbeiter der E-GmbH bei fortlaufenden Entgeltzahlungen durch die GmbH den Fahrdienst für die ehrenamtlichen Bürgermeister der Stadt übernahmen und damit Arbeits­leistungen ausführten, die wirtschaft­lich nicht der E-GmbH zu Gute kamen (…).“ (Rn. 20)

Fall 4: Schließlich ließ G dem freigestellten Betriebs­ratsvorsitzenden B der E-GmbH ein höheres Arbeits­entgelt gewähren, als es ihm entsprechend § 37 IV 1 BetrVG zustand.

„Zwar vermögen Verstöße gegen das Betriebs­verfassungs­gesetz für sich genommen keine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB zu begründen, weil dessen Vorschriften lediglich dem Schutz des Betriebs­rats und damit der Beschäftigten dienen und keinen vermögensschützenden Charakter haben (…). Indes war es [G] sowohl gemäß (…) der Geschäftsordnung der E-GmbH als auch nach [dem] „Public Corporate Governance Kodex“ untersagt, dem [B] Zahlungen zu gewähren, die er nach den Vorgaben des Betriebs­verfassungs­gesetzes nicht beanspruchen konnte (…). Die Erwägung des [G], dem [B] mit den Zahlungen einen Anreiz zu bieten, die übrigen Betriebs­räte „unter der Decke“ zu halten, stellt keinen beachtlichen Belang des Unternehmens­wohls dar (…).“ (Rn. 21)

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