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BGH, Beschl. v. 27.11.2018 – 2 StR 254/18: Zu versuchtem schweren Raub und erpresserischen Menschenraub

Sachverhalt:

Der Angeklagte K beabsichtigte gemeinsam mit den Mitangeklagten Brüdern S und F die Cannabisplantage des Opfers O ausfindig zu machen, um diese „auszuräumen“. Da der Ort der besagten Plantage ihnen unbekannt war, würden sie das Opfer O jedoch erst dazu bringen müssen, diesen preiszugeben. Am Tattag trafen sich K, S und F nahe dem Wohnhaus des O. Alle waren sich einig, dass es darum ging, von O die Nennung des Standorts der Plantage durch Drohung oder Gewalt zu erzwingen. Die einzelnen Zwangs­mittel wurden nicht besprochen, sondern den vor Ort agierenden Tätern überlassen. Außerdem sollte O bis zum „Leerräumen“ der Plantage über mehrere Stunden festgehalten werden. S und F begaben sich zum Wohnhaus des O, wo sie diesen beim Öffnen der Türe in die Wohnung drängten, den Mund mit Klebeband zuklebten, ihn fesselten und nach dem der Ort der Plantage fragten. Als O angab, nichts von einer Plantage zu wissen, schlugen sie mehrfach auf O ein. Als nach erfolgter telefonischer Rücksprache mit K auch weitere Schläge nicht die erhoffte Wirkung gezeigt hatten, nahm F eine im Raum befindliche Schere, hielt sie dem O vor und drohte ihm damit, seine Finger abzuschneiden. In Todesangst nannte O ihnen eine fiktive Örtlichkeit. Während F den O weiter in der Wohnung festhielt, machten sich S und K gemeinsam auf den Weg zu dem von O genannten Ort. Dabei hielten sie telefonisch Kontakt zu F. O gelang schließlich die Flucht. S und K gaben die Suche nach der Plantage auf.

Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten K sowie der Mitangeklagten jeweils als Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung bewertet. Der BGH ändert den Schuldspruch ab, da sich die Tat des K entgegen der Auffassung des Landgerichts als versuchter schwerer Raub in Tateinheit mit erpresserischen Menschenraub und mit gefährlicher Körperverletzung darstellt.

Aus den Gründen:

„Bei der erzwungenen Preisgabe des Versteckes einer noch wegzunehmenden Beute handelt es sich um einen (versuchten) Raub. Die mittäterschaft­lich handelnden Angeklagten haben [O] allein deshalb gefesselt, geschlagen und bedroht, um die spätere Wegnahme der am Ort der Plantage erwarteten Gegenstände zu ermöglichen. Der zwischen Gewalt­anwendung und Wegnahme erforderliche örtliche und zeitliche Zusammenhang war (…) gegeben, da einer der Täter [O] bewachte, während die anderen die Plantage suchten und dabei telefonischen Kontakt mit dem Bewacher hielten. Im Hinblick auf den von allen Tätern gebilligten Einsatz des mitgebrachten Klebebands zur Fesselung und Knebelung ist der Qualifikations­tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB erfüllt.“ (Rn.6)

„Anders als bei den Mitangeklagten [S und F]  ist beim Angeklagten [K] der subjektive Tatbestand der Geiselnahme gemäß § 239b StGB nicht erfüllt. (…) Der Angeklagte [K] hatte den Brüdern [S und F] die Auswahl der angewandten Zwangs­mittel überlassen und besaß insoweit bezüglich der gegenüber [O] geäußerten Drohung, ihm die Finger abzuschneiden lediglich „bedingten Vorsatz“. Der subjektive Tatbestand des § 239b Abs. 1 StGB erfordert jedoch hinsichtlich des Einsatzes der besonderen Drohungs­mittel – hier der Drohung mit einer schweren Körperverletzung (§ 226) – Absicht im Sinne zielgerichteten Handelns.“ (Rn.7)

„Ungeachtet dessen sind bei allen Tätern die Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen mittäterschaft­lich begangenen erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239a Abs. 1, 2. Alt. StGB erfüllt, da eine geschaffene stabile Bemächtigungs­lage zu einem versuchten Raub ausgenutzt wurde.“ (Rn.7)

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