BGH, Beschl. v. 31.7.2018 – 1 StR 260/
Sachverhalt: Der Angeklagte A drang nachts heimlich in das Schlafzimmer des Lebensgefährten seiner früheren Freundin R ein. Nach deren Äußerung, er solle sich „verpissen“, fügte er R mit einem Messer einen kraftvollen Schnitt an der Halsseite zu, der vom Kinn bis zur Wirbelsäule reichte und 5 cm tief sowie 15 cm lang war. Die tatauslösende Gefühlsregung beruhte nach Auffassung des LG auf dem exklusiven Besitzanspruch an seiner früheren Freundin, weshalb das LG das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bejaht hat.
Aus den Gründen:
Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das LG habe den Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt und insbesondere i.R.d. Gesamtwürdigung nicht erörtert, welche weiteren Motive bei A zum Zeitpunkt der mit Tötungsvorsatz ausgeführten Handlung vorgelegen haben.
Nach st. Rspr. des BGH sind Beweggründe i.S.v. § 211 II StGB niedrig, „wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat ‚niedrig‘ sind und in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag als verachtenswert erscheinen, hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (…). In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann.“ (Rn. 5)
Das LG hat hier allein darauf abgestellt, „dass die tatauslösende Gefühlsregung des A auf dem nach seiner Auffassung bestehenden exklusiven Besitzanspruch an R beruhte, was nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehe. Damit wurden aber nicht im Rahmen einer notwendigen Gesamtwürdigung alle äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Gesichtspunkte in den Blick genommen. Vielmehr ist das LG vom vermeintlichen Besitzanspruch des A als einzigem Tatmotiv ausgegangen und hat sich nicht mit den denkbaren weiteren Tatmotiven des A hinreichend auseinandergesetzt, obwohl die vom LG festgestellte Tatausführung nach der Äußerung des Tatopfers unmittelbar vor der Tat, dass sich A „verpissen“ solle, durchaus darauf hindeutet, dass bei A auch andere Motive bei der Tatbegehung – wie eine Provokation durch das Opfer oder Wut – eine Rolle spielten, die A in einer Bestrafung der R abreagieren wollte. Bei dieser Sachlage hätte daher im Rahmen einer Gesamtwürdigung erörtert werden müssen, ob die tatauslösende Gefühlsregung des A letztlich auf einer Grundhaltung beruhte, die durch eine ungehemmte Eigensucht, exklusive Besitzansprüche und eine unduldsame Selbstgerechtigkeit gekennzeichnet ist. Nur eine solche Grundhaltung steht nach allgemeiner sittlicher Bewertung auf tiefster Stufe.“ (Rn. 7)