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BGH, Urt. v. 10.10.2018 – 2 StR 564/17: Zum einvernehmlichen Handeln zwischen Vortäter und Hehler, bei dem das Einverständnis des Vortäters auf einer Täuschung beruht

Leitsatz:

Das zur Erfüllung des Tatbestands der Hehlerei erforderliche einvernehmliche Handeln zwischen Vortäter und Hehler liegt auch in Fällen vor, in denen das Einverständnis des Vortäters auf einer Täuschung beruht.

Sachverhalt:

I beabsichtigte ein von unbekannten Tätern entwendetes Fahrzeug in Deutschland an einen gutgläubigen Interessenten zu veräußern, ohne dabei jedoch selbst als Verkäufer aufzutreten. In dem Wissen, dass es sich um ein entwendetes Fahrzeug handelt, wandte sich I an K mit der Bitte, ihm eine Person zu vermitteln, die das Fahrzeug gegen Provision an einen gutgläubigen Interessenten veräußern würde. K kam daraufhin mit Z sowie mit dem Angekl. S überein, I um den zu erwartenden Kaufpreis für das Fahrzeug zu betrügen. Ihm sollte eine Person präsentiert werden, die sich zur Abwicklung des Verkaufs des gestohlenen Fahrzeugs bereit erklären, den Verkauf abwickeln, den betrügerisch erlangten Kaufpreis jedoch nicht an I, sondern an sie (K, Z und den Angekl. S) aushändigen sollte. Der Angekl. S warb daraufhin L an, der sich zur Mit­wirkung bereit erklärte. Tatplangemäß erhielt L von I das mit gefälschten Kraftfahrzeugkennzeichen versehene Fahrzeug sowie dazu passende gefälschte Fahrzeugpapiere nebst Fahrzeugschlüssel sowie einen gefälschten Personalausweis. Bei der Übergabe des Fahrzeugs an L nahm I irrig an, dieser werde ihm nach Abwicklung des Geschäfts den Kaufpreis aushändigen. Unter Vorlage des gefälschten Personalausweises veräußerte L das Kraftfahrzeug an den gutgläubigen C. Der Angekl. S ließ sich anschließend das vereinnahmte Bargeld in Höhe von 54.000 EUR durch L aushändigen und teilte es in seiner Wohnung gemäß der getroffenen Vereinbarung zu gleichen Teilen auf, so dass jeder der Beteiligten einen Teilbetrag in Höhe von 13.500 EUR erhielt.

Das Landgericht hatte den Angekl. S u.a. wegen Hehlerei gem. § 259 Abs. 1 StGB verurteilt. Der BGH hält die Annahme des LG, der Angekl. S habe sich durch die mittäterschaft­lich erfolgte Übernahme des Fahrzeugs zum Zwecke der betrügerischen Veräußerung an einen gutgläubigen Dritten der Hehlerei schuldig gemacht, für rechts­fehlerfrei.

Aus den Gründen:

 „Nach gefestigter Rechts­prechung des Bundes­gerichtshofs setzt § 259 Abs. 1 StGB in (…) allen (…) Tatvarianten als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal einvernehmliches Handeln zwischen Hehler und Vortäter voraus. An dem zur Tatbestandserfüllung erforderlichen Einvernehmen fehlt es, wenn der Hehler die eigene Verfügungs­gewalt über die Sache durch Wegnahme begründet oder dem Vortäter die Verfügungs­gewalt über die Sache abnötigt; deshalb ist nicht wegen Hehlerei strafbar, wer die Verfügungs­gewalt über die gestohlene Sache durch Nötigung des Vortäters herstellt. (…) Das zur Erfüllung des Tatbestands der Hehlerei erforderliche einvernehmliche Handeln zwischen Vortäter und Hehler liegt jedoch auch in Fällen vor, in denen das Ein-verständnis des Vortäters auf einer Täuschung beruht. Hehlerei in der Variante des Sich-Verschaffens begeht daher auch derjenige, der die Verfügungs­gewalt über die gestohlene Sache durch Betrug des Vortäters erlangt.“ (Rn. 10)

Hierzu gilt:

„Ist das Einverständnis des Vortäters mit der Aufgabe der Verfügungs­gewalt oder der Einräumung von Mitverfügungs­gewalt über die deliktisch erlangte Sache an die durch Täuschung hervorgerufene irrtümliche Erwartung geknüpft, hierfür eine „Gegenleistung“ zu erhalten, stellt dies die Annahme einverständlicher Übertragung der Verfügungs­gewalt über die Sache nicht in Frage.“ (Rn.11)

„Ungeachtet der durch Täuschung bewirkten und die Motivebene des Vortäters betreffenden Fehlvorstellung, eine Gegenleistung für die Hingabe der Sache zu erhalten, beruht die Übergabe der Sache auf einem eigen­verantwortlichen Willensentschluss des Vortäters. Mag das hierin liegende Einverständnis infolge der Täuschung auch als nicht „frei im Rechts­sinne“ anzusehen sein, erfolgt die Weitergabe der Sache an den Hehler anders als in Fällen des Diebstahls oder der Nötigung des Vortäters gleichwohl mit dem Willen des Vortäters. Auch sein Einverständnis mit einer (Weiter-)Verwertung der deliktisch erlangten Sache wird durch diese täuschungs­bedingte Fehlvorstellung nicht in Frage gestellt. Der täuschungs­bedingte Irrtum und die hieran anknüpfende Fehlvorstellung des Vortäters, seinerseits eine Gegenleistung für die Hingabe der Sache zu erhalten, stellt als bloßer Motivirrtum die Annahme des für den Straftatbestand der Hehlerei erforderlichen Einvernehmens zwischen Vortäter und Hehler daher nicht in Frage.“ (Rn. 12)

„Diese Auslegung steht auch im Einklang mit dem Schutz­zweck der Norm.“ (Rn. 13)

„Strafgrund der Hehlerei ist in erster Linie die Aufrechterhaltung und Vertiefung der durch die Vortat geschaffenen rechts­widrigen Vermögenslage. (…) Durch die Hehlerei wird die vom Vortäter rechts­widrig begründete Besitzposition gefestigt und zugleich die Chancen des Berechtigten, den früheren rechtmäßigen Zustand wieder herzustellen, vereitelt oder jedenfalls erheblich gefährdet. Das Erfordernis einverständlichen Zusammenwirkens stellt dabei den inneren Zusammenhang zur Vortat her, der für die Hehlerei charakteristisch ist. Der Tatbestand der Hehlerei wird deshalb den Vermögensdelikten zugerechnet und bezweckt sonach in erster Linie den Schutz der Vermögensinteressen des ursprünglich Berechtigten. Dieser Schutz­zweck erfasst jedoch auch Fallkonstellationen, in denen die Verfügungs­gewalt über die gestohlene Sache durch Täuschung vom Vortäter auf den Hehler übergeht. Die im Verhältnis zum Vortäter bzw. Zwischenhehler erfolgende Täuschung lässt die durch den Straftatbestand der Hehlerei geschützten Vermögensinteressen des Berechtigten unberührt.; die durch die rechts­widrige Vortat geschaffene Vermögenslage bleibt durch das Weiterverschieben der Sache aufrechterhalten.“ (Rn. 14)

„Soweit demgegenüber im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, die Annahme einvernehmlichen Handelns scheide in Fällen der Täuschung generell oder jedenfalls in Fällen aus, in denen der Vortäter über „die Preisgabe der Sache als solche“ getäuscht werde, vermag der Senat dem nicht zu folgen.“ (Rn. 17)

„Das zur Erfüllung des Tatbestands der Hehlerei erforderliche Einvernehmen zwischen Vortäter und Hehler ist auf die Übertragung der Verfügungs­gewalt über die deliktisch erlangte Sache bezogen. Ein darüber hinaus gehendes kollusives Zusammenwirken zwischen Vortäter und Hehler oder ein Handeln im Interesse des Vortäters ist jedenfalls für die Tatbestandsvariante des Sich-Verschaffens nicht erforderlich.“ (Rn. 18)

„Soweit vereinzelt die Sorge geäußert wird, die Annahme einer Strafbarkeit des Täuschenden wegen Hehlerei komme einer „Schutz­zusage“ zugunsten des Vortäters gleich, teilt der Senat diese Bedenken nicht, zumal das Verhalten des Täuschenden gegebenenfalls außerdem den Tatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) erfüllen kann.“ (Rn. 19)

„Diesem Auslegungs­ergebnis kann schließlich nicht entgegen gehalten werden, dass Hehlerei „Hilfeleistung zugunsten des Täters nach der Tat“ sei. Der Straftatbestand der Hehlerei stellt (…) eigennütziges und gewinnsüchtiges Handeln des potentiellen Täterkreises unter Strafe und lässt sich nur in einem weiteren Sinne als Hilfeleistung zugunsten des Vortäters begreifen.“ (Rn. 20)

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