Sachverhalt:
Nach einer Feier überredete O den alkoholisierten A zu einer Fahrt mit dessen Motorrad. A fuhr und O saß auf dem Soziussitz. Motorradhelme und Schutzkleidung trugen beide nicht. Infolge eines Sturzes erlitt O lebensbedrohliche Kopfverletzungen und A, der kurzzeitig das Bewusstsein verlor, u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma. Als A zu sich kam, versuchte er O zu helfen. Nachdem die Hilfeversuche gescheitert waren, hob A sein Motorrad auf und fuhr nach Hause. Beim Verlassen des Unfallortes war A bewusst, dass O auf Grund ihrer schweren Verletzungen ohne umgehende medizinische Versorgung sterben könnte. Durch das Wegfahren von der Unfallstelle wollte A seine Teilnahme an der vorausgegangenen Trunkenheitsfahrt bewusst verschleiern. O überlebte, ist aber infolge der erlittenen Hirnblutung linksseitig gelähmt. Das LG hat A wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen verurteilt.
Aus den Gründen:
Der BGH hat das Urteil des LG aufgehoben, da ein Verdeckungsmord rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sei: Verdeckungsabsicht und bedingter Tötungsvorsatz schließen einander nicht grundsätzlich aus. Sie können gleichzeitig vorliegen, „wenn die maßgebliche Handlung vom Täter vorgenommen oder eine gebotene Handlung unterlassen wird, um eine vorangegangene Straftat zu verdecken, dieser Verdeckungserfolg nach seinem Vorstellungsbild aber auch ohne den Eintritt des für möglich gehaltenen und billigend in Kauf genommenen Todeserfolges bewirkt wird, der bedingt vorsätzlich herbeigeführte Tod des Opfers mithin keine verdeckungsspezifische Funktion aufweist. (…) Geht der Täter dagegen davon aus, dass nur der Tod des Opfers zur Vortatverdeckung führt, können Verdeckungsabsicht und lediglich bedingter Tötungsvorsatz nicht nebeneinander angenommen werden.“ (Rn. 11)
Das LG hat dies nicht widerspruchsfrei dargelegt. Einerseits hat es festgestellt, A habe den Tod der O (nur) billigend in Kauf genommen, da ihm der Tod der O gleichgültig gewesen sei. Andererseits hat es darauf verwiesen, A sei davon ausgegangen, dass seine Trunkenheitsfahrt allenfalls beim Tod, nicht aber bei einer Rettung der O hätte verdeckt werden können. Letzteres deutet auf direkten Tötungsvorsatz hin mit der Folge, dass auch die Annahme einer Verdeckungsabsicht nahegelegen hätte. (Rn. 12)
Aber selbst bei bedingtem Tötungsvorsatz hätte hier Verdeckungsabsicht angenommen werden können: Die Annahme, dass die Trunkenheitsfahrt des A nur durch den Tod von O hätte verdeckt werden können und deshalb mit einem nur bedingten Tötungsvorsatz unvereinbar sei, greift zu kurz. Zwar waren O und A miteinander gut bekannt. Hieraus ergibt sich aber noch nicht, dass nach der Vorstellung des A im Fall ihres Überlebens O ihn als Unfallverursacher benennen würde. Zum einen war O schwer verletzt, sodass es nicht fern lag, dass sie außerstande sein würde, A zu überführen. Zum anderen lag es mit Rücksicht auf die persönliche Verbundenheit von A und O (Freundin seines Bruders) und ihrer Mitverantwortung für die Unfallfahrt (Überredung, die Fahrt durchzuführen) nicht fern, dass sie ihn nicht einer Straftat belasten würde. Bedingter Tötungsvorsatz und Verdeckungsabsicht wären auch dann miteinander vereinbar, wenn die Flucht vom Tatort nach der Vorstellung von A nicht der Verschleierung seiner Unfallbeteiligung, sondern allein dazu dienen sollte, Zeit zu gewinnen, um den Nachweis einer für den Unfall strafrechtlich relevanten Trunkenheit zu verdecken. (Rn. 13, 14)
Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet. Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbes. bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (…). (Rn 18) Hier waren keine Dritten am Unfallort, der Unfall geschah in frühen Morgenstunden auf einer wenig frequentierten Straße und A hatte die stark blutende Kopfverletzung der O wahrgenommen und sie zutreffend für bewusstlos gehalten. Diesen Umständen kommt zwar grundsätzlich Bedeutung für die Wertung zu, A habe die Notwendigkeit sofortiger medizinischer Hilfe für O erkannt, auf (externe) Hilfe aber nicht ernsthaft vertrauen können und deshalb bedingt vorsätzlich gehandelt. Weitere, den A möglicherweise entlastende Umstände, wurden nicht in den Blick genommen. Insbesondere wurde festgestellt, dass A nach Wiedererlangung seines Bewusstseins daran gedacht hatte, O in die stabile Seitenlage zu bringen, davon aber mangels entsprechender Kenntnisse Abstand genommen hatte. Die Bedeutung für das voluntativen Elements des bedingten Vorsatzes bleibt gänzlich unerörtert.