DE / EN

BGH, Urt. v. 21.02.2018 – 5 StR 267/17: Zur sog. Rechts­folgenlösung beim Mord

Das Tötungs­verlangen des Opfers ist kein „außergewöhnlicher Umstand“ i.S. der sog. Rechts­folgenlösung beim Mord, der eine Strafmilderung und damit ein Absehen von lebens­langer Freiheitsstrafe rechtfertigt.

Sachverhalt:

Der Angekl. A, Beamter der LKA Sachsen, tötete den 59-jährigen O, um die anschließende Zerstückelung des Körpers zu ermöglichen, von der er sich sexuellen Lustgewinn versprach. O war mit dem Handeln des A einverstanden. O hatte den Wunsch, von ihm „geschlachtet“ und verspeist zu werden. Das LG hat die Voraussetzungen einer Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) verneint, da der Tötungs­wunsch des O für A nicht handlungs­leitend gewesen sei. Es ist davon ausgegangen, dass die Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und zur Ermöglichung einer Straftat begangen wurde (§ 211 StGB). Von der Verhängung lebens­langer Freiheitsstrafe hat es aber abgesehen, da O mit der Tötung durch A nicht nur einverstanden war, sondern diese aufgrund eines seit Jahren stabil bestehenden Wunsches auch unbedingt wollte.

Aus den Gründen:


Das LG hat zu Unrecht davon abgesehen, den Mord mit lebens­langer Freiheitsstrafe zu sanktionieren, weil die Voraussetzungen einer Milderungs­möglichkeit nicht erfüllt sind.
Die der Rechts­folgenlösung zugrundeliegende Entscheidung betraf allein das Mordmerkmal der Heimtücke. „Eine Anwendung der insofern aufgestellten Grundsätze auch auf die hier erfüllten Mordmerkmale der Befriedigung des Geschlechtstriebes sowie der Ermöglichungs­absicht ist weder von Verfassungs wegen (…) noch einfach­gesetzlich geboten (…). Dies käme allenfalls in Betracht, wenn Entlastungs­faktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben, vorlägen, so dass jener Grenzfall (…) eintritt, in welchem die Verhängung lebens­langer Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandsmäßigen Unrechts wegen erheblich geminderter Schuld un­verhältnismäßig wäre (…). Dies soll etwa bei Taten in Betracht gezogen werden können, die durch eine notstandsnahe, ausweglos erscheinende Situation motiviert, in großer Verzweiflung begangen, aus tiefem Mitleid oder aus ‚gerechtem Zorn‘ auf Grund einer schweren Provokation verübt worden sind oder in einem vom Opfer verursachten und ständig neu angefach­ten, zermürbenden Konflikt oder in schweren Kränkungen des Täters durch das Opfer ihren Grund haben, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen (…).“ (Rn. 26)

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. A „handelte nicht aus einer außergewöhnlichen Notlage heraus; er befand sich auch nicht in einer den angeführten Beispielen entsprechenden notstandsnahen Bedrängnis. Vielmehr tötete er primär zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs. (…) In einem solchen Fall ist die Verhängung einer lebens­langen Freiheitsstrafe nur dann un­verhältnismäßig, wenn der (konkreten) Tat das Merkmal einer besonderen Verwerflichkeit nicht anhaftet (…). Dies ist hier nicht gegeben.“ (Rn. 27)

Daran vermochte auch der Wunsch des O, getötet zu werden, nichts zu ändern. „Das menschliche Leben steht in der Werteordnung des Grundgesetzes – ohne zulässige Relativierung – an oberster Stelle der zu schützenden Rechts­güter (…). Hierdurch wird auch die sich aus § 216 StGB ergebene Einwilligungs­sperre legitimiert (…). Nur unter den engen (…) Voraussetzungen dieser Vorschrift kann eine Einwilligung bei einer vorsätzlichen Tötung eines Menschen Bedeutung erlangen und die Tat in einem milderen Licht erscheinen lassen. Ein Absehen von der Verhängung der lebens­langen Freiheitsstrafe kommt mithin vorliegend nicht in Betracht.“ (Rn. 28)

Zum Volltext