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BGH, Beschl. v. 10.04.2019 – 4 StR 86/19: Zur Annahme einer fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs

Sachverhalt:

Der stark alkoholisierte Angeklagte entwendete am Tatabend das Smartphone des Zeugen K sowie den Schlüsselbund der Zeugin D aus der Wohnung des K. Mit dem am Schlüsselbund befindlichen Fahrzeugschlüssel öffnete der Angeklagte das Fahrzeug der D. Aufgrund seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit stieß der Angeklagte mit zwei jeweils parkenden PKW zusammen. An beiden Fahrzeugen entstand ein Sachschaden. Auch das Fahrzeug der D wurde durch die Zusammenstöße beschädigt. Das LG geht zugunsten des Angeklagten von einem Schaden von unter 1.000 € an allen drei Fahrzeugen zusammen aus. Seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit und die dadurch gegebene Gefahr eines Verkehrs­unfalls hätte der Angeklagte bei gehöriger Sorgfalt erkennen und verhindern können; auch war ihm bewusst, dass er sich nicht im Besitz einer Fahr­erlaubnis befand.

Das LG hat diesen Sachverhalt als Diebstahl in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahr­erlaubnis gewertet. Die Annahme fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs hält nach Ansicht des Senats rechtlicher Nach­prüfung nicht stand.

Aus den Gründen:

„Auch in der vom Landgericht herangezogenen Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombination des § 315c Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 1 a StGB setzt der Tatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs (…) die konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert voraus. Hierbei ist nach der ständigen Rechts­prechung des Senats von folgenden Grundsätzen auszugehen:“ (Rn.6)

„§ 315c StGB setzt voraus, dass einer fremden Sache von bedeutendem Wert auch ein bedeutender Schaden gedroht hat. Es sind daher stets zwei Prüfschritte erforderlich, zu denen im Strafurteil entsprechende Feststellungen zu treffen sind: Zunächst ist zu fragen, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine solche von bedeutendem Wert gehandelt hat, was etwa bei älteren oder bereits vorgeschädigten Fahrzeugen fraglich sein kann. Handelt es sich um eine Sache von bedeutendem Wert, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ihr auch ein bedeutender Schaden gedroht hat, wobei ein tatsächlich entstandener Schaden geringer sein kann als der allein maßgebliche Gefährdungs­schaden. Der Wert der Sache ist hierbei nach dem Verkehrs­wert und die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Markt­wert zu messenden Wertminderung zu berechnen (…).“ (Rn. 7)

„Dem genügen die Ausführungen des LG nicht.“ Mit der in der Beweiswürdigung erfolgten Ergänzung, dass die Strafkammer von einem Schaden „von unter 1.000 € an allen drei Fahrzeugen zusammen ausgeht“, ist „(…) zum einen nicht festgestellt, dass der (Gefährdungs-) Schaden die Wertgrenze von 750 Euro sicher erreicht oder überschreitet. Hinzu kommt, dass das LG hier auch das vom Angeklagten gefahrene, der Zeugin D gehörende Fahrzeug einbezogen hat; nach der ständigen Rechts­prechung des Senats bleibt hingegen der (Gefährdungs-)Schaden an dem vom Täter gefahrenen Fahrzeug auch dann außer Betracht, wenn es ihm nicht gehört (…).“ (Rn. 8)


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