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BGH, Urt. v. 07.05.2019 – 1 StR 150/19: Zur Annahme niedriger Beweggründe bei Tötung des (Ex-)Lebens­partners

Sachverhalt:

Am Abend vor der Tat kam es zwischen dem Angekl. A und seiner Ehefrau E zu einer verbalen Auseinandersetzung, in der es um den übermäßigen Alkoholkonsum des A und seine vergangenen Versprechen, keinen Alkohol mehr zu trinken, ging. Da die E den andauernden Alkoholkonsum des A nicht länger hinnehmen wollte, forderte sie ihn auf, in sein Heimatland zurückzukehren und dort eine Alkoholtherapie zu beginnen. Dies wollte der A nicht akzeptieren. Als die E am nächsten Tag früh morgens das Haus zur Arbeit verließ, folgte ihr der A. Er war  über das Verhalten seiner Ehefrau verärgert und hatte deshalb ein Messer eingesteckt, um einen letzten Versuch zu unter­nehmen, diese umzustimmen.

A holte die E alsbald ein und bat sie um eine letzte Chance. E beharrte auf ihrem Standpunkt und setzte ihren Weg fort. Nachdem der A erkannte, dass er die E nicht mehr umstimmen könne, entschloss er sich den zuvor gefassten Tötungs­entschluss in die Tat umzusetzen. Er zog das in der Jackentasche mitgeführte Messer heraus und stach ihr mit den Worten „Gut, dann werden wir beide zu Grabe gehen“ von hinten vier Mal kraftvoll in den Rücken. Als die E aufschrie und sich umwandte stach dieser sie mit weiteren gegen ihre linke Brust geführten Angriffe nieder. Der A setzte sich sodann auf die auf dem Rücken liegende E und stach weiter wuchtig auf den Brust­bereich ein. Als die Geschädigte reglos liegen blieb, ließ A von ihr ab, warf das Messer weg und wartet auf die Polizei. E erlitt 24 Stichverletzungen und verstarb trotz Rettungs­bemühungen kurze Zeit später.

Das LG verurteilte den Angekl. A wegen Mordes zu lebens­langer Freiheitsstrafe. Nach Ansicht des BGH hält der Schuldspruch der sachlich-rechtlichen Nach­prüfung stand, da das LG rechts­fehlerfrei das Vorliegen des Mordmerkmals der Heimtücke angenommen hat. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, die insbesondere aufgrund der Erfüllung eines weiteren Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe angenommen wurde, begegnen jedoch durchgreifende rechtliche Bedenken.

Aus diesen Gründen:

„ Zutreffend ist, dass die Beweggründe dann niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB sind, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders, d.h. in deutlich weitreichenderem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind (…), und dass Gefühlsregungen wie Zorn, Wut, Enttäuschung oder Verärgerung niedrige Beweggründe sein können, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (…).“ (Rn.8)

„Entbehrt indes das Motiv ungeachtet der Verwerflichkeit, die jeder vorsätzlichen und rechts­widrigen Tötung innewohnt, nicht jeglichen nachvollziehbaren Grundes, so ist es nicht als „niedrig“ zu qualifizieren (…). Auch die Tötung des Intim­partners, der sich vom Täter abwenden will oder abgewendet hat, muss nicht zwangs­läufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden (…). Gerade der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden (…).“ (Rn.8)

 Dabei kommt es für die Beurteilung „ob eine Tötung des zur Trennung entschlossenen Intim­partners auf niedrigen Beweggründen beruht, weder maßgeblich darauf an, ob der Täter tatsachenfundiert auf den Fortbestand der Verbindung zum Opfer vertrauen durfte, noch darauf, wie der Zustand der Beziehung war, ob sich das Tatopfer aus nachvollziehbaren Gründen zur Trennung entschlossen hat, ob der Täter seinerseits maßgeblich verantwortlich für eine etwaige Zerrüttung der Partnerschaft war und ob er – dies ist ohnehin stets der Fall – „die Trennungs­entscheidung“ des Partners „hinzunehmen“ hatte (…).“ (Rn.9)

„Allein der Umstand, dass sich die Trennung des Partners wegen des Vor­verhaltens des Täters und des Zustands der Beziehung als „völlig normaler Prozess“ darstellt und (daher) von diesem hinzunehmen ist, ist aber nicht geeignet, die Tötung des Partners, die wie jede vorsätzliche und rechts­widrige Tötung verwerflich ist, als völlig unbegreiflich erscheinen zu lassen.“ (Rn.9)

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