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BGH, Beschl. v. 08.04.2020 – 3 StR 5/20: Zum Tatbestand des Verwendens eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB

Sachverhalt:

A drang nachts in ein Haus an. Während die Bewohnerinnen im ersten Stock schliefen, durchsuchte er das Erdgeschoss und nahm diverse Wertgegenstände an sich. Anschließend bewaffnete er sich in der Küche mit einem Messer und ging ins Obergeschoss, um dort nach weiterem Diebesgut Ausschau zu halten. Eine Bewohnerin erwachte, als der A an ihrem Bett stand. Um seine Flucht zu ermöglichen und zugleich die Beute zu sichern, rief er ihr mehrfach zu, dass er ein Messer habe. Hierdurch wollte er der Frau zu verstehen geben, dass er dieses gegen sie einsetzen werde, sollte sie sich ihm entgegenstellen. Die Bewohnerin konnte das Messer aufgrund der Dunkelheit zwar nicht erkennen. Sie hegte jedoch keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte ein solches tatsächlich in der Hand hielt und sie deshalb in Leib- und Lebens­gefahr geriete, wenn sie versuchen sollte, ihn aufzuhalten. Sie verharrte auf der Treppe, während dem A mitsamt Messer und Beute die Flucht aus dem Haus gelang.

Nach Auffassung des BGH habe das LG die Tat rechts­fehlerfrei als besonders schweren räuberischen Diebstahl gem. §§ 252, 249 Abs.1, 250 Abs. 2 Nr.1 Alt.1 StGB gewürdigt.

Aus den Gründen:

Zum Tatbestandsmerkmal des Verwendens im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB (Rn. 4)

„Das Tatbestandsmerkmal des Verwendens (…) umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Nach der Konzeption der Raubdelikte bezieht sich das Verwenden auf den Einsatz des Nötigungs­mittels zur Verwirklichung des Raubtatbestands; es liegt sonach vor, wenn der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug gerade als Mittel entweder der Ausübung von Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gebraucht (…).“

Drohung mit dem gefährlichen Werkzeug (Rn. 4)

„Im Fall der Drohung muss das Tatopfer das Nötigungs­mittel und die Androhung seines Einsatzes wahrnehmen. Denn hier­unter ist das ausdrückliche oder schlüssige In-Aussicht-Stellen eines künftigen Übels zu verstehen, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Eine Drohung erfordert daher, dass der Bedrohte Kenntnis von ihr erlangt und dadurch in eine Zwangs­lage gerät. Nimmt das Tatopfer die Drohung des Täters mit dem gefährlichen Werkzeug hingegen nicht wahr, (…) fehlt es an einem vollendeten Verwenden des Drohmittels (…).“

Anforderungen an die Kenntnis des Opfers der Drohung (Rn. 7–11)

„Der Wortlaut der Vorschrift trägt keine Einschränkung auf Fälle, in denen das Opfer das Tatwerkzeug visuell wahrnimmt.(…).“ Das verdeckte Tragen eines gefährlichen Gegenstands reicht für ein Verwenden aus, wenn der so Bedrohte die durch das Tatmittel bedingte Ausbeulung unter dem Hemd des Täters registriert und ihn zu Recht für bewaffnet hält, obgleich der gefährliche Gegenstand selbst für ihn nicht sichtbar ist (….).“

„Ebenso genügt der rein taktile Kontakt, beispielsweise der in den Rücken des Opfers gedrückte Schraubendreher, für ein Verwenden, wenn der Beraubte das Tatwerkzeug spürt und die ausgesprochene oder konkludente Drohung mit dem Einsatz desselben realisiert (…).“

Hierbei ist es sogar unschädlich, wenn das Opfer den verwendeten Gegenstand nicht identifizieren kann, solange es ihn zu Recht für gefährlich hält (…).

„Für die akustische Wahrnehmung des gefährlichen Werkzeugs durch das Tatopfer gilt nichts anderes. (…) Der Warnschuss, das Durchladen einer Pistole oder eine knallende Peitsche vermitteln dem Opfer die vom Tatwerkzeug ausgehende Gefahr auch dann, wenn ihm der Blick auf die Waffe oder den Gegenstand verwehrt ist, sei es aufgrund der Licht­verhältnisse, der räumlichen Gegebenheiten oder einer Sehbehinderung.“

„Der Täter kann auch verbal auf seine Bewaffnung aufmerksam machen, um die raub­spezifische besondere Zwangs­lage beim Opfer zu bewirken. Gelingt ihm dies und der Bedrohte nimmt zutreffend an, dass der Täter tatsächlich über den gefährlichen Gegenstand verfügt und hiervon eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben ausgeht, verwendet der Täter seine Bewaffnung als Drohmittel. (…)“

Systematik des Gesetzes (Rn. 12)

„Die im Vergleich zum bloßen Beisichführen des gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB oder zum Gebrauch einer Scheinwaffe im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB erhöhte Strafandrohung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB hat ihren Grund sowohl in der gesteigerten Verletzungs­gefahr für das Opfer als auch in der höheren kriminellen Energie desjenigen Täters, der einen anderen Menschen mittels einer objektiv gefährlichen Bewaffnung in Angst und Schrecken versetzt, um an seine Beute zu gelangen oder sich deren Erhalt zu sichern. (…)“

Ergebnis

Im vorliegenden Fall lag ein Verwenden des Messers zur Beutesicherung vor. Der Angeklagte war tatsächlich mit diesem bewaffnet, er drohte dem Tatopfer für den Fall des Widerstands konkludent dessen Einsatz an, und die so Bedrohte erkannte sowohl das konkrete Nötigungs­mittel als auch die Gefahr seines Gebrauchs durch den Täter sowie die damit einhergehende Gefahr für ihr Leib oder Leben, sollte sie sich ihm in den Weg stellen. Der Annahme vollendeten Verwendens steht nicht entgegen, dass die Bewohnerin das Messer in der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Denn sie vernahm die Drohung mit dessen Einsatz akustisch; das reicht aus.

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