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BGH, Beschl. v. 09.11.2020 – 4 StR 626/19: Zum teilweisen Zerstören bei gemischt genutzten Gebäuden und § 306b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB

Der Angekl. hat ein teils gewerblich und teils zu Wohnzwecken genutzte Gebäude in Brand gesetzt und es dadurch teilweise zerstört (§ 306b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB i.V.m. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Teilweises Zerstören bei gemischt genutzten Gebäuden

Die Taterfolgsvariante des teilweisen Zerstörens liegt bei einem gemischt genutzten Gebäude vor, wenn ein zum selbstständigen Gebrauch bestimmter, dem Wohnen dienender Teil des Gebäudes nach den allgemeinen an die teilweise Zerstörung zu stellenden Anforderungen durch die Brandlegung zum Wohnen unbrauchbar geworden ist. Sie ist auch dann gegeben, wenn die Unbrauchbarkeit zu Wohnzwecken mittelbar auf die Brandlegung zurückzuführen ist, etwa auf eine erhebliche Verrußung. Für die Unbrauchbarkeit genügt grundsätzlich die Beeinträchtigung der bestimmungs­gemäßen Nutzbarkeit für eine nicht nur unerhebliche Zeit. [Rn. 6]

Brandlegung mit der Absicht, einen Versicherungs­betrug zu begehen: Zurechnung nach § 81 Abs. 1 VVG

Der Versicherungs­nehmer muss sich die vorsätzliche Herbeiführung eines Versicherungs­falls zurechnen lassen, wenn der Täter als Repräsentant im versicherungs­rechtlichen Sinn zu qualifizieren ist. Repräsentant im versicherungs­rechtlichen Sinne ist, wer in dem Geschäfts­bereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungs­nehmers getreten ist und die Risikoverwaltung übernommen hat. Hierzu zählt der faktische Inhaber eines Betriebs, der nur formal die Unternehmens­führung einem Dritten übertragen hat. [Rn. 9]

Sachverhaltssubsumtion

Im vorliegenden Fall entstand durch die Brandlegung im gewerblich genutzten Erdgeschoss eine erhebliche Rauch­entwicklung. Der Rauch zog u.a. durch das Treppenhaus in das Obergeschoss, in dem sich Wohnungen befanden. Durch den Rauch wurden die Wände beider Wohnungen stark verrußt. Die Bewohner konnten nicht mehr in ihre Wohnräume zurückkehren. Diese Räume waren renovierungs­bedürftig. Sie konnten daher für eine nicht nur unerhebliche Zeit nicht mehr ihrem bestimmungs­gemäßen Gebrauch dienen. Eine teilweise Zerstörung ist somit gegeben. [Rn. 7]

Der Angekl. hat bei der Brandlegung in der Absicht gehandelt, betrügerisch unberechtigte Versicherungs­leistungen zu erlangen (§ 306b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB). Der Angeklagte war auch Repräsentant im versicherungs­rechtlichen Sinn. Nach den Feststellungen erfolgte die Einsetzung des Sohnes als Geschäftsführer der Spielothek nur „auf dem Papier“. Der Angeklagte führte die Geschäfte allein und war hierfür regelmäßig wöchentlich mehrmals vor Ort. Er traf alle wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen, war über alle Vorgänge informiert und entschied über die Verwendung der Einnahmen. Er war auch Mieter der Räumlichkeiten. Gegenüber der Feuer­versicherung trat er als maßgeblicher Verhandlungs­partner auf und kümmerte sich kurz vor der Tat um die Bezahlung einer rückständigen Versicherungs­prämie, damit der Versicherungs­schutz nicht entfiel. Damit hatte er als faktischer Inhaber der Spielothek die Risikoverwaltung des versicherten Gebäudes übernommen. [Rn. 10]

Sein Sohn, der als Versicherungs­nehmer das Gebäude gegen Feuer versichert hatte und nicht selbst in die Tatbegehung involviert war, muss sich somit die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungs­falls durch den Angeklagten nach § 81 Abs. 1 VVG zurechnen lassen. [Rn. 8]

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