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BGH, Beschl.v. 13.05.2020 – 2 ARs 228/19: Zum Merkmal des Gebrauchens im Sinne des § 281 StGB durch Verwendung einer unbeglaubigten Kopie der Urschrift

Zum Hintergrund:

Der 5. Senat hat in einem Beschluss vom 8.5.2019 (Beschl. v. 8.5.2019 − 5 StR 146/19) kund getan, dass er es nicht mehr für angemessen hält, das Merkmal „Gebrauchen“ in § 281 Abs. 1 S. 1 StGB anders auszulegen als in § 267 Abs. 1 StGB (Beschl. v. 8.5.2019 − 5 StR 146/19 Rn. 27). Zur Begründung führt er vor allem die geänderten technischen Rahmenbedingungen an; so ist das Ablichten von Pässen und Personalausweisen in § 18 Abs. 3 PassG und § 20 Abs. 2 PauswG durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises vom 7.7.2017 (BGBl. I S. 2310) erstmals ausdrücklich erlaubt. Einer einheitlichen Auslegung des Merkmals „Gebrauchen“ in § 281 Abs. 1 StGB und § 267 Abs. 1 StGB steht jedoch die bisherige Auffassung des 4. Senats entgegen. Dieser hatte entschieden, dass der Begriff des Gebrauchmachens in § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB anders als in § 267 Abs. 1 StGB auszulegen sei. Wer nur die unbeglaubigte Kopie eines Ausweispapiers oder einer diesem gleichgestellten Urkunde vorlege, könne nicht wegen Ausweismissbrauchs bestraft werden (BGH Urt. v. 4.9.1964 – 4 StR 324/64, BGHSt 20, 17, vgl. auch Beschl. v. 8.5.2019 − 5 StR 146/19 Rn. 16). Der 5. Senat fragt deshalb in seinem Beschluss vom 8.5.2019 bei den anderen Senaten an, ob sie an der bisherigen Rechts­auffassung festhalten wollen, dass das Merkmal „gebrauchen“ in § 281 Abs. 1 StGB und § 267 Abs. 1 StGB unterschiedlich auszulegen sei. Der 4. Senat hat in seinem Beschluss vom 4.12.2019 (Beschl. v. 4.12.2019 – 4 Ars 14/19) die dem Anfragebeschluss zugrundeliegende Rechts­ansicht des 5. Strafsenats, dass der Begriff des „Gebrauchens“ in § 281 Abs. 1 StGB ebenso wie in § 267 Abs. 1 StGB auszulegen ist, geteilt, und seine entgegenstehende bisherige Rechts­prechung aufgegeben.

In seinem Beschluss vom 13.5.2020 antwortet nun der 2. Senat auf den Anfragebeschluss des 5. Senats vom 8.5.2019, dass er dazu geneigt ist „an der bisherigen Rechts­prechung (...) festzuhalten ist.“ (Rn. 1)

Aus den Gründen:

„Das Merkmal des Gebrauchens in § 281 StGB kann grundsätzlich zwar wie in § 267 StGB verstanden werden, jedoch muss als Tatobjekt hier gerade ein echtes Ausweispapier verwendet werden. Die Vorlage einer Fotokopie reicht nicht aus.“ (Rn. 2)

„Der Wortlaut der Norm spricht damit zwar (...) nicht gegen die von ihm beabsichtigte Auslegung, allerdings auch nicht dafür (...). Die Gesetzes­systematik und der Normzweck weisen hingegen in eine andere Richtung.“ (Rn. 3)

„Der Gebrauch des für einen anderen ausgestellten Ausweispapiers erfolgt dadurch, dass der Täter das Originaldokument einem anderen zur unmittelbaren Wahrnehmung zugänglich macht. Das folgt (...) aus der besonderen Bedeutung amtlicher Ausweispapiere. Aus diesem Grund sieht § 281 I StGB auch die Handlungs­variante des Überlassens eines Ausweispapiers an einen anderen vor, die keine Entsprechung bei § 267 I StGB hat. Der Rechts­verkehr verlangt zur Identifizierung einer Person (...) in vielen Fällen weiterhin die Vorlage der Urschrift des Ausweispapiers, insoweit reichen eine Ablichtung oder eine Kopie nicht aus. Nur wer ein echtes Ausweispapier zur Täuschung nutzt, nicht aber derjenige, der nur eine Ablichtung oder Kopie vorlegt, macht sich deshalb die besondere Beweis­wirkung eines (amtlichen) Identitätspapiers zunutze, dessen Schutz § 281 StGB bezweckt.“ (Rn. 4)

„Die Tatsache, dass vom Standpunkt der Rechts­prechung die Möglichkeit des mittelbaren Gebrauchmachens von einer falschen Urkunde durch Vorlage einer Kopie zu einem anderen Ergebnis führt, beruht auf der Berücksichtigung seines Gegenstands. Bei § 267 I StGB geht es um eine unechte oder verfälschte Urkunde, bei § 281 I StGB um ein echtes Ausweispapier.“ (Rn. 5)

„In der Vorlage oder Übersendung der Kopie oder Abbildung eines echten Ausweispapiers ein Gebrauchmachen des echten Ausweises zu sehen, hieße, den strafrechtlichen Schutz des Rechts­verkehrs der Sache nach auf die Kopie oder Abbildung des echten Ausweispapiers zu erstrecken. Auch mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises vom 7. Juli 2017 hat der Gesetzgeber jedoch nicht die Absicht verfolgt, im Rechts­verkehr eine Kopie an die Stelle der Urschrift eines Ausweispapiers treten zu lassen (...).“ (Rn. 6)

„Soweit Täuschungen im Rechts­verkehr durch Vorlage oder Übermittlung einer Kopie oder Abbildung eines Ausweises einer anderen Person mit dem Ziel der Irrtumserregung und Verursachung einer Vermögensverfügung mit der Folge der Vermögensschädigung eines anderen erfolgen, bleibt das Verhalten als Betrug strafbar.“ (Rn. 7)


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