Sachverhalt:
Die unter Niereninsuffizienz und Diabetes leidende 84-jährige V war am Tattag trotz ihrer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit zu Fuß unterwegs. Sie hob bei einer Bank 600 € ab und verstaute das Geld in der Handtasche. Diese legte sie in den Korb ihres Rollators, wobei sie den Gurt um den Rollatorgriff führte. Der Angekl. A näherte sich ihr von hinten. Obgleich er die Fixierung der Tasche am Griff des Rollators erkannte, ergriff er diese und zog so kräftig an ihr, dass V die Gehhilfe entglitt, sie das Gleichgewicht verlor und ungebremst mit dem Kopf auf das Pflaster aufschlug. A entfernte sich mit der Tasche vom Unfallort.
Die V erlitt durch den Sturz eine massive subdurale Blutung. Da diese nicht zum Stillstand kam, musste V sechs Tage nach der Tat zur Druckentlastung des Gehirns unter Vollnarkose operiert werden. Nach der Operation erlangte sie das Bewusstsein nicht wieder. Nachdem sich der Gesundheitszustand zunehmend verschlechterte, beschlossen die behandelnden Ärzte zusammen mit den Angehörigen, in Übereinstimmung mit einer entsprechenden Patientenverfügung und vor der Operation gegenüber dem Arzt geäußerten Wünschen der V, diese nur noch palliativ weiter zu behandeln. Sie verstarb 13 Tage nach der Tat.
Fraglich ist, ob der vom Tatbestand des § 251 StGB geforderte gefahrspezifische Zusammenhang zwischen dem Raub und dem Tod der V ungeachtet der nur eingeschränkten medizinischen Behandlung gegeben ist.
Sinn und Zweck des Erfordernisses des gefahrspezifischen Zusammenhangs [Rn. 7]
Die deutlich erhöhte Strafdrohung für den Raub mit Todesfolge gebietet eine einschränkende Auslegung des § 251 StGB. Dem speziellen Unrechtsgehalt des § 251 StGB ist nur genügt, wenn sich die dem Raub innewohnende Gefahr für die betroffenen Rechtsgüter in einer über den bloßen Ursachenzusammenhang hinausgehenden Weise in der Todesfolge niedergeschlagen hat.
Voraussetzungen des gefahrspezifischen Zusammenhangs [Rn. 7]
Eine zumindest leichtfertige Todesverursachung durch die Tat ist danach nur dann anzunehmen, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand des Raubes einhergehen. Dieser qualifikationsspezifische Zusammenhang ist auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigene besondere Gefährlichkeit verwirklicht.
Zudem muss in den Blick genommen werden, ob das tödliche Risiko, das in der Tat selbst seinen Ausgang nahm, sich in einem durch sie in Gang gesetzten typischen Verlauf verwirklichte. Denn da § 251 StGB als erfolgsqualifiziertes Delikt eine jedenfalls fahrlässige Herbeiführung der schweren Folge verlangt (§ 18 StGB), muss deren Eintritt – neben den entsprechenden subjektiven Anforderungen an die „Leichtfertigkeit“ – objektiv voraussehbar, also nach der Lebenserfahrung erwartbar sein.
Ausnahmen vom gefahrspezifischen Zusammenhang [Rn. 8, 9]
Der geforderte Risikozusammenhang kann unterbrochen werden, wenn die tödliche Folge erst durch das Eingreifen eines Dritten oder ein eigenverantwortliches Handeln des Opfers selbst herbeigeführt wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Anwendung des § 251 StGB immer dann ausgeschlossen ist, wenn die tödliche Folge nicht unmittelbar durch die eingesetzte Gewalt, sondern erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände herbeigeführt wird.
Inwieweit solche von einem Dritten oder dem Opfer selbst verantworteten Eingriffe in den tödlichen Verlauf zur Folge haben, dass sich die Tathandlung des Grunddelikts im qualifizierten Erfolg nicht mehr niederschlägt, muss für jeden in Betracht kommenden Straftatbestand nach dessen Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung der von ihm erfassten Sachverhalte in differenzierender Wertung ermittelt werden. Insoweit ist etwa von Belang, ob die Realisierung der spezifischen Todesgefahr durch das Eingreifen des Opfers nur beschleunigt oder durch diese erst geschaffen wurde. Auch darf die rechtliche Bewertung einer hinzutretenden Handlung eines Dritten – etwa ein eigenständiges schuldhaftes Verhalten – oder des Opfers selbst nicht außer Betracht bleiben.
Subsumtion
Nach diesen Maßstäben ist dem A der Tod der V als Folge des von ihm in Gang gesetzten Geschehens zuzurechnen. [Rn. 10]
Die von der Raubhandlung ausgehende spezifische Gefahr realisierte sich in der tödlichen Folge. Denn der A setzte mit der aufgewendeten Gewalt insoweit das Risiko für den tödlichen Ausgang, als das Reißen am Griff der Handtasche und damit an dem die V stützenden Rollator zu deren Sturz und der zum Tode führenden Kopfverletzung führte. [Rn. 11]
Dieser Zurechnungszusammenhang ist in der Folge nicht durch andere Ursachen unterbrochen worden. Der im Krankenhaus unternommene Behandlungsversuch wurde mit dem Ziel durchgeführt, der mit der Tat in Gang gesetzten Risikoverwirklichung Einhalt zu gebieten. Dass diese Bemühungen fehlschlugen, beruhte nicht auf einem eigenständigen, von den behandelnden Ärzten verantworteten neuen Risiko für das Leben der V. [Rn. 12, 13]
Ebenso wenig wurde eine selbständige neue Ursache für den Tod dadurch gesetzt, dass die behandelnden Ärzte im Einklang mit der Patientenverfügung und dem präoperativ geäußerten Willen der Verstorbenen lebensverlängernde Maßnahmen abbrachen. Das Opfer einer Gewalttat, das ärztliche Hilfe nicht in Anspruch nimmt, setzt damit keine neue Ursache für ein Versterben, sondern wirkt nur dem vom Täter gesetzten tödlichen Risiko nicht entgegen. Dementsprechend unterbricht das Verhalten der Ärzte, die wegen des Vorliegens einer Patientenverfügung dem Willen der Patientin folgend in rechtmäßiger Weise auf eine Weiterbehandlung verzichteten, den Risikozusammenhang ebenfalls nicht. [Rn. 14 ff.]
Der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen lag auch im Rahmen des nach der Lebenserfahrung Erwartbaren. Damit, dass ein betagtes Opfer sich bei einer Raubhandlung wie der abgeurteilten schwere Kopfverletzungen zuzieht, ist ebenso zu rechnen wie mit dem Vorliegen einer Patientenverfügung oder dem sonst von dem Patienten geäußerten Willen, nicht an lebenserhaltende Apparate angeschlossen zu werden. [Rn. 18]