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BGH, Beschl. v. 28.04.2020 – 5 StR 15/20: Versuchsbeginn beim Einbruchsdiebstahl

Sachverhalt: Der Angeklagte A wollte einen Zigarettenautomaten aufbrechen, um Zigaretten und Bargeld zu entwenden. Er hatte verschiedenes Einbruchswerkzeug dabei (Kuhfuß, Trennschleifer mit Trennschleifen, Hammer, Schraubenzieher, Kabeltrommel). A verhüllte den Automaten mit einem Handtuch und einer Plane, um die Geräusche seines Tuns zu dämpfen. In dem Glauben, in unmittelbarer Nähe einen Stromanschluss zu finden, legte er mit der Kabeltrommel über die Straße zu einem Schuppen hin eine Stromleitung. Allerdings fand er weder dort noch anderswo in erreichbarer Nähe eine Steckdose. Er erkannte, dass er den Automaten mithilfe des Trennschleifers nicht öffnen konnte. Zu einer – von vorneherein auch in Erwägung gezogenen – alternativen Aufbruchs­möglichkeit mithilfe der anderen Werkzeuge kam es aber nicht mehr, da sich A – wie zutreffend – entdeckt fühlte und unter Zurücklassung der Tatwerkzeuge fluchtartig den Tatort verließ, um nicht von der Polizei gefasst zu werden.

Das Landgericht hat die Tat als Diebstahlsversuch gewertet.

Nach Ansicht des BGH hält dies der sachlich-rechtlichen Nach­prüfung stand.

 

Aus den Gründen:

„Versucht ist eine Tat, wenn der Täter nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Tat ansetzte (§ 22 StGB). Nach der Formel der höchstrichterlichen Rechts­prechung muss der Täter dafür aus seiner Sicht die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschreiten. Das ist der Fall, wenn er eine Handlung vornimmt, die nach dem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll; dies kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt (...). Der Annahme unmittelbaren Ansetzens stehen Zwischenakte nicht entgegen, die keinem tatbestandsfremden Zweck dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden (...).“ (Rn. 4)

„Das vom Täter zur Verwirklichung seines Vorhabens Unter­nommene muss stets zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden. Ob er zu der in diesem Sinne ‚entscheidenden‘ Rechts­gutsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, hängt von seiner Vorstellung über das ‚unmittelbare Einmünden‘ seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Gegen ein Über­schreiten der Schwelle zum Versuch spricht es deshalb im Allgemeinen, wenn es zur Herbeiführung des vom Gesetz vorausgesetzten Erfolges noch eines weiteren – neuen – Willensimpulses bedarf (...). Wesentliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium ist das aus der Sicht des Täters erreichte Maß konkreter Gefährdung des geschützten Rechts­guts (...).“ Grundsätzlich ist bei Qualifikationen und Regelbeispielen der Versuchsbeginn des Grunddelikts entscheidend. (Rn. 5)

Bei Diebstahlsdelikten ist deshalb maßgeblich, ob aus Tätersicht bereits eine „konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs“ auf das Diebesgut besteht.

Ist der Gewahrsam durch Schutz­mechanismen geschützt, reicht grundsätzlich der erste Angriff auf einen solchen Schutz­mechanismus für den Versuchsbeginn aus, wenn nach Vorstellung des Täters er bei dessen Über­windung nach dem Tatplan ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute hat. Ist der Gewahrsam durch mehrere Schutz­mechanismen gesichert, ist die Versuchsschwelle regelmäßig schon beim Angriff auf den ersten überwunden, sofern die Schutz­mechanismen „in unmittelbarem räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit paraten Mitteln“ überwunden werden sollen. „Wird der Schutz des Gewahrsams durch eine hierzu bereite Person gewährleistet, liegt Versuch vor, wenn auf diese (durch Täuschung oder Drohung) mit dem Ziel der Gewahrsamslockerung eingewirkt wird und die Wegnahme in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit erfolgen soll (...).“ (Rn. 6)

Für das unmittelbare Ansetzen zur Wegnahme ist nicht die erfolgreiche Über­windung des Schutz­mechanismus erforderlich. Für den Versuchsbeginn reicht der Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens im Sinne von § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB aus. (Rn. 7)

Demnach liegt kein Versuch vor, wenn der Täter zum Beispiel nur einen gewahrsamssichernden Schutz­mechanismus zur Unter­suchung anleuchtet, wenn er in der Nähe des Tatorts eintrifft, aber noch nicht sofort mit der Benutzung des bereit gelegten Einbruchswerkzeugs beginnen will, oder wenn er sich erst noch mit zeitlicher Unter­brechung Werkzeug beschaffen muss, um einen Bankautomaten aufbrechen zu können. Steigt der Täter über ein Gartenzaun oder -tor, um in das dahinter liegende Haus einzubrechen, ist maßgeblich, ob der Zaun oder das Tor schon eine gewahrsamssichernde Funktion aufweist. Ein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl liegt vor, wenn der Täter das Einbruchswerkzeug zur Über­windung des Schutz­mechanismus und Eindringen in ein Gebäude bereits angesetzt hat. (Rn. 8)

Demnach liegt ein unmittelbares Ansetzen bereits mit dem Verhüllen des Automaten vor, der dadurch dem Zugriff des A ausgesetzt war. Nach Vorstellung des A sollten der Trennschleifer oder – sofern dieser nicht zum Einsatz kommen konnte –alternative Aufbruchsmittel unmittelbar eingesetzt werden. „Die fremden Sachen, die durch den Zigarettenautomaten vor Wegnahme besonders geschützt waren, waren damit bereits konkret gefährdet.“ (Rn. 9, 10 )

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