Leitsatz: Ein als Flüchtlingsunterkunft genutztes Gebäude ist teilweise zerstört im Sinne des § 306a Abs. 1 StGB, wenn ein dem Bewohner der Unterkunft zu Wohnzwecken zur Verfügung gestelltes Zimmer brandbedingt für beträchtliche Zeit unbewohnbar wird.
Sachverhalt:
Der Angekl. A lebte seit 2015 in Deutschland in einer Flüchtlingsunterkunft, nachdem er sein Heimatland Sudan aufgrund der dort herrschenden politischen und religiösen Konflikte verließ. Nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden war, wurde A war mit seinen Lebensbedingungen zunehmend unzufrieden und empfand seine Wohnsituation in der Flüchtlingsunterkunft als unangemessen.
Aufgrund seiner Unzufriedenheit entschloss sich A dazu, seine Unterkunft anzuzünden, um sie durch Brand zu beschädigen oder zu zerstören. Er wusste, dass in dem Gebäude mehrere Personen untergebracht waren. Er setzte das Sofa in dem von ihm bewohnten Zimmer in Brand und begab sich sodann zu dem Zimmer des Zeugen Y, wo er ein brennendes Stück Stoff auf dessen Sofa warf, das dadurch Feuer fing. Y verließ daraufhin sofort die Unterkunft.
Die herbeigerufene Feuerwehr konnte den Brand zügig löschen. Während in dem Zimmer des Zeugen Y lediglich das Mobiliar beschädigt wurde und es zu Rußanhaftungen an den Wänden und der Decke kam, war das Feuer in dem Zimmer des A schon so weit vorangeschritten, dass es zu großflächigen Abplatzungen des Putzes an der Wand und starken Verrußungen gekommen war; das Zimmer war deshalb vorübergehend unbewohnbar.
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen schwerer Brandstiftung. Nach Ansicht des BGH hält dies der rechtlichen Nachprüfung stand.
Aus den Gründen:
„Ein Gebäude ist gemäß § 306a Abs. 1 StGB teilweise zerstört, wenn für eine nicht nur unerhebliche Zeit ein für das ganze Objekt zwecknötiger Teil oder dieses wenigstens für einzelne seiner wesentlichen Zweckbestimmungen unbrauchbar wird oder wenn einzelne seiner Bestandteile, die für einen selbständigen Gebrauch bestimmt oder eingerichtet sind, vernichtet werden (…). Das ist zum einen dann der Fall, wenn durch die Brandlegung das Gebäude im Ganzen zumindest einzelne von mehreren seiner Zweckbestimmungen nicht mehr erfüllen kann, etwa indem ein oder mehrere Zimmer eines Wohnhauses unbewohnbar werden und hierdurch dessen Nutzung zum Zweck des Aufenthalts, der Nahrungsversorgung und des Schlafens insgesamt in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Zum anderen liegt eine teilweise Zerstörung auch dann vor, wenn ein wesentlicher, funktionell selbständiger Teil des Tatobjekts zerstört wird, etwa indem eine Wohnung als „Untereinheit“ eines Mehrfamilienhauses für beträchtliche Zeit für Wohnzwecke insgesamt ungeeignet wird.“ (Rn. 8)
Eine Beurteilung des Zerstörungserfolges und der Zeitspanne der Nutzungseinschränkung muss nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konkreten Nutzungszwecke objektiv anhand des Maßstabs eines „verständigen Wohnungsinhabers“ erfolgen. Der Zeitraum muss erheblich sein, wenige Stunden oder Tage reichen nicht aus. (Rn. 9)
Ein als Flüchtlingsunterkunft genutztes Gebäude ist unter anderem dann teilweise zerstört im Sinne des § 306a Abs. 1 StGB, wenn ein dem Bewohner der Unterkunft zu Wohnzwecken zur Verfügung gestelltes Zimmer brandbedingt für beträchtliche Zeit unbewohnbar wird. (Rn. 10)
Das Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft stellt ebenso wie eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus eine selbstständige, zum Wohnen bestimmte „Untereinheit“ dar, welche als „Mittelpunkt des menschlichen Lebens“ durch das Gesetz geschützt werden soll. Die Nutzung und Zweckbestimmung eines solchen Zimmers gehen über diejenigen von einzelnen Zimmern in einem Wohnhaus hinaus, die für sich genommen, nicht als wesentlicher, funktionell selbstständiger Teil des Tatobjekts anzusehen sind. Denn das Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft stellt für seinen Bewohner unter dem Gesichtspunkt des Wohnens den Mittelpunkt menschlichen Lebens dar. Es dient ihm – unabhängig von seiner Ausstattung im Einzelnen – zumindest zum Zweck des Aufenthalts und des Schlafens. Es ist der einzige abgeschlossene Raum, der ihm zur persönlichen Nutzung zur Verfügung steht, und damit sein alleiniges Refugium zur privaten Lebensführung. Regelmäßig befindet sich zudem seine gesamte persönliche Habe darin. Wie bei einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus kann das Tatbestandsmerkmal des teilweisen Zerstörens im Hinblick auf ein Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft mithin erfüllt sein, wenn die brandbedingte Einwirkung auch nur einen der für das Wohnen wesentlichen Zwecke des Aufenthalts oder des Schlafens vereitelt. (Rn. 11)
Das dem Angeklagten zu Wohnzwecken zur Verfügung gestellte Zimmer konnte infolge des Brandes für beträchtliche Zeit nicht mehr genutzt werden. Anders als im Zimmer des Zeugen Y, in dem der Brand nur zu Beschädigungen der Einrichtungsgegenstände und zu Rußanhaftungen an Wänden und Decke führte, kam es im Zimmer des Angeklagten zu „großflächigen Abplatzungen des Putzes an der Wand“ und „starken Verrußungen“. In Anbetracht dessen erschließt es sich ohne weiteres, dass die aus der brandbedingten Einwirkung resultierende „vorübergehende“ Unbewohnbarkeit des Zimmers eine Zeitspanne umfasste, die deutlich über wenige Stunden oder einen Tag hinausging. (Rn. 12)