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BGH, Beschl. v. 01.06.2021 – 6 StR 199/21: Zum Begriff der Diensthandlung iSv § 334 StGB

Sachverhalt [Rn. 2–6]

Der A hatte 2011 ein Grundstück an die S&P verkauft. Bedingung für die Kaufpreiszahlung war die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung von Einzelhandels­flächen von insgesamt 4.500 qm. Im bisherigen Bebauungs­plan waren jedoch maximal 3.000 qm vorgesehen. Im Januar 2014 wandte sich der A im Hinblick auf die bevorstehende Kommunalwahl an den Geschäftsführer der S&P, den R. Jedenfalls stillschweigend kamen A und R überein, durch eine Spende auf den auf Seiten der SPD für das Amt des Oberbürgermeisters kandidierenden W einzuwirken, um ihn zu einer für sie günstigen Einflussnahme auf die beabsichtigte Änderung des Bebauungs­plans zu veranlassen. W war bereits von 2008 bis 2014 dritter Bürgermeister der Stadt R. und als solcher Sozialreferent. Außerdem war er einer der Vertreter des Oberbürgermeisters und in dieser Funktion „circa fünfmal im Jahr“ tätig. A und R gingen nicht davon aus, dass W noch während der laufenden Legislaturperiode tätig werden würde, sondern erst nach seiner Wahl zum OB. A und R gingen davon aus, dass W die Wahl sicher gewinnen würde.

Daraufhin wandte sich A an den W, welcher die Spende dankend entgegennahm. Am Folgetag wurden von der S&P 5.000 Euro an den SPD-Ortsverein überwiesen, über den W seinen Wahlkampf organisierte. W wusste nicht, dass es sich um eine Einflussspende handelte.

Fraglich ist, ob sich A wegen Bestechung nach § 334 StGB strafbar gemacht hat.

Zum Begriff der Diensthandlung [Rn. 10–29]

Während sich Vorteilsannahme und -gewährung auf Diensthandlungen im Allgemeinen beziehen, ist Gegenstand der Bestechung und Bestechlichkeit ein konkretes Verhalten im Rahmen der Dienstausübung. Eine Diensthandlung in diesem Sinne liegt jedenfalls vor, wenn das Handeln zu den dienstlichen Obliegenheiten des Amtsträgers gehört und von ihm in dieser Eigenschaft wahrgenommen wird. Nicht erfasst sind demgegenüber Privathandlungen, gleichfalls nicht die Annahme von Vorteilen, die nur „im Zusammenhang mit dem Amt“, also nicht in einem Beziehungs­verhältnis zur Dienstausübung stehen.

Ob und unter welchen Voraussetzungen die Bestechungs­delikte auch die künftige Dienstausübung im Hinblick auf ein zum Zeitpunkt der Tathandlung noch nicht ausgeübtes Amt erfassen, ist fraglich.

Nach Auffassung des Senats kann jedoch auch „[d]as Anbieten oder Gewähren von Vorteilen für künftige Diensthandlungen an einen Amtsträger, der sich für ein anderes Amt bei demselben Dienstherrn bewirbt, […] dem Anwendungs­bereich der Bestechungs­delikte unter­fallen, wenn dem Vorteilsnehmer im Zeitpunkt der Tathandlung bereits allgemein aufgrund seiner Stellung ein weitreichender Aufgabenkreis zugewiesen ist“ (Leitsatz des Urteils). Der Amtsträger macht sich somit schon mit der Annahme strafbar, wenn er sich gewillt zeigt, sich im Falle seiner Wahl durch den Vorteil beeinflussen zu lassen. Bereits zum Zeitpunkt der Tathandlung unter­liegt er als Amtsträger besonderen Pflichten. Diese unter­scheiden sich von denen des Amtsinhabers lediglich durch den konkret übertragenen Aufgaben­bereich, sind aber nicht auf diesen beschränkt und bestehen gegenüber demselben Dienstherrn. Es ist anerkannt, dass der Amtsträger für die zum Gegenstand der Dienstausübung gemachte Diensthandlung nicht nach der internen Geschäftsverteilung konkret zuständig sein muss. Ausreichend ist vielmehr, dass die Tätigkeit zum allgemeinen Aufgaben­bereich des Amtsträgers gehört und mit diesem in einem unmittelbaren Zusammenhang steht.

Subsumtion [Rn. 20]

Im vorliegenden Fall war der W zum Zeitpunkt der Einflussnahme noch nicht OB. Als Amtsträger im Dienst der Stadt R. bestand jedoch bereits eine allgemeine Zuständigkeit des W. Nach Art. 39 Abs. 2 BayGO bestand die Möglichkeit, ihn als dritten Bürgermeister mit Verwaltungs­aufgaben zu betrauen, die auch die S&P betreffen konnten. Eine konkrete Zuständigkeit bestand sogar, wenn er den Oberbürgermeister im Planungs­ausschuss der Stadt R. vertrat (Art. 39 Abs. 1 BayGO).

Ein Stellenwechsel innerhalb der Stadtverwaltung vom Amt des dritten Bürgermeisters zum Amt des Oberbürgermeisters führt lediglich dazu, dass sich der konkrete Aufgaben­bereich gemäß der internen Organisations­verteilung ändert, während der allgemeine Aufgaben­bereich in Form der Wahrnehmung von Verwaltungs­aufgaben unverändert bleibt.

Mit der Annahme des Vorteils verstößt der Amtsträger deshalb gegen die ihm übertragenen Sonderpflichten und begründet damit die abstrakte Gefahr, dass die Verwaltung, für die er tätig wird, als käuflich angesehen wird. Er dokumentiert die grundsätzliche Bereitschaft, seine Amtsführung am Willen des gewährenden Vorteilsgebers auszurichten und unabhängig von der ihm zugewiesenen Stellung innerhalb seines Dienstherrn seine Amtspflichten für dessen Interessen zu missbrauchen. Dies genügt für eine Strafbarkeit wegen Bestechung.

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