Sachverhalt (Rn. 4 – 5)
Am 3. November 2019 wurde B von Z am Rondell in R in einen Hinterhalt gelockt. B hatte zuvor Sh und Sc ausgenutzt. Sk wurde als Verstärkung hinzugezogen. Nach dem ersten Faustschlag des Sc gegen den Kopf des B, entfernte sich Z vom Tatort. Sc schlug B mit einer Gartenschwere. Sh hielt B seine Schreckschusspistole an den Kopf. Mit den Gewaltanwendung und ihren Drohungen erreichten die Angeklagten, dass B. ihnen seine Wohnanschrift und den Namen seiner Mutter sowie seines Bruders nannte. Danach wurde B gefesselt und mithilfe eines Transporters in eine Hütte in G gebracht. Dort wurde B von Sh mit einem Holzstock gegen sein Oberschenkel und von SC mit der Faust gegen seinen Kopf geschlagen. Sc und Sh drückten Zigaretten im Gesicht des B aus. Sc. behauptete, dass B. dem Angeklagten Sh. 4.000 € und ihm selbst 2.500 € schulde. Er setzte B. die Gartenschere an den kleinen Finger und forderte von ihm, bis zum 15. Dezember 2019 insgesamt 10.000 € zu zahlen. Den Angeklagten war bewusst, dass sie die Zahlung einer Summe verlangten, welche die vermeintlichen „Schulden“ des Geschädigten wesentlich überstieg. Eine Rate von 4.000 € sollte B. schon am Folgetag übergeben. Der verängstigte Geschädigte erklärte sich dazu bereit. Die Angeklagten glaubten, sie hätten eine „verbindliche Zahlungszusage“ erlangt. Gleichwohl terrorisierten sie B. weiter. Danach lösten sie die Fesseln. Sc. verlangte schließlich noch spontan die Herausgabe der Herrenhandtasche des B. Abschließend drohte er dem Geschädigten, dass er ihn suchen und finden werde, „wenn das morgen nicht klappen“ sollte. Dann fuhren die Angeklagten davon. Zu einer Geldübergabe kam es in der Folgezeit nicht.
Das Landgericht hat die Tat wie folgt bewertet (Rn. 1):
Das Landgericht hat den Angeklagten Sh. und Sk. die von Sc. begangene schwere räuberische Erpressung durch Nötigung zur Herausgabe der Handtasche nicht zugerechnet. Diese Handlung sei nicht vom Tatplan umfasst gewesen. Ihr planmäßiges Ziel hätten sie mit dem abgenötigten Zahlungsversprechen des Zeugen B. erreicht. (Rn. 6)
Der BGH ändert den Schuldspruch für die Angeklagten Sc und Sh dahingehend, dass sie anstelle des tateinheitlich begangenen erpresserischen Menschenraubs der Geiselnahme schuldig sind. (Rn. 7, 13) Und Sk habe nicht Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub, sondern zur Geiselnahme geleistet. (Rn. 14)
Aus den Gründen
Nach § 239a Abs. 1 StGB wird bestraft, „wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen. Zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart bestehen, dass der Täter das Opfer während der Dauer der Zwangslage erpressen will. Sieht der Tatplan vor, dass die Leistung, die der Täter erpressen will, erst zu einem Zeitpunkt erfolgen soll, zu dem die Bemächtigungslage beendet ist, fehlt es an der Absicht des Ausnutzens der Bemächtigungslage zur Begehung einer Erpressung (…).“ (Rn. 8)
„Da die Erpressung auf eine vermögensrelevante Handlung, Duldung oder Unterlassung des Opfers abzielt, muss im Fall des § 239a StGB nach der Vorstellung des Täters eine solche während der Bemächtigungslage stattfinden. Dazu kann etwa die Abgabe eines notariell beglaubigten Schuldanerkenntnisses genügen (…).“ (Rn. 9) Eine formlose Zahlungszusage reicht mangels Vermögensrelevanz nicht aus. Der Umstand, „dass die Angeklagten Sc. , Sh. und Sk. vom Vorliegen einer „verbindlichen“ Zahlungszusage des Geschädigten ausgegangen sind, genügt insoweit nicht, weshalb der Tatbestand des erpresserischen Menschenraubs nicht erfüllt wurde.“ (Rn. 9) „Etwas anderes kommt auch für den Angeklagten Sc. nicht deshalb in Betracht, weil er dem Geschädigten zuletzt die Handtasche abgenötigt hat. Das entsprach nicht dem gemeinsamen Tatplan.“ (10)
Die Angeklagten Sc und Sh haben eine Geiselnahme nach § 239b I StGB begangen. (Rn. 11)
„Bei einer Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB muss zwischen der Entführung oder Bemächtigung des Opfers und der qualifizierten Nötigung ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass der Täter das Opfer während der Dauer der Zwangslage nötigen will und die abgenötigte Handlung während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (...).“ (Rn. 12) „Eine während der Bemächtigung des Opfers vollendete Nötigung ist auch gegeben, wenn der Täter mehrere Verhaltensweisen des Opfers erstrebt, die er zwar nicht sämtlich schon während der Bemächtigungslage realisieren will, von denen er aber zumindest eine Handlung des Opfers in dieser Phase herbeiführt, wenn darin aus seiner Sicht eine bedeutende und eigenständige Vorstufe zu dem angestrebten Erpressungserfolg zu erblicken ist (…).“ (Rn. 12) Jede beliebige Handlung, Duldung oder Unterlassung kann einen Nötigungserfolg im Sinne von § 239b StGB darstellen. Somit kann in abgenötigtes „Ehrenwort“ des Geschädigten genügen. „Ein solches Nötigungsziel haben die Angeklagten während der Bemächtigung des Geschädigten erreichen wollen und erreicht, indem sie ihm eine aus ihrer Sicht „verbindliche Zahlungszusage“ abgenötigt haben“ (Rn. 12).
Zudem weist die Strafzumessung für den Angeklagten Sh. einen Rechtsfehler auf, der „zur Aufhebung des Strafausspruchs nötigt.“ (Rn. 17) Das Landgericht hatte ausgeführt: „Auch wenn ihm die Wegnahme der Gucci-Tasche durch den Angeklagten Sc. nicht zuzurechnen war, war gleichwohl zu sehen, dass er bis zum Schluss in der Hütte geblieben war. Dem weiteren Geschehen hätte er sich problemlos entziehen können, weil er mit einem eigenen Fahrzeug gefahren war.“ Dies lässt besorgen, dass das Landgericht dem Angeklagten Sh. im Ergebnis auch ein Verhalten angelastet hat, das wegen des Mittäterexzesses des Angeklagten Sc. für ihn strafrechtlich nicht relevant ist.“ (Rn. 18)
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