Sachverhalt
A und S führten eine Bekanntschaft dergestalt, dass A von S regelmäßig Kokain erwarb und beide gelegentlich gemeinsam zum Feiern oder Essen ausgingen. Die beiden hatten eine Zahlungsvereinbarung, wonach A die Betäubungsmittel erst zum Monatsende zahlen musste. Schließlich kündigte S diese und forderte die sofortige Begleichung des ausstehenden Betrags in Höhe von 700 €. Nachdem A die Zahlung nicht sofort erbringen konnte, forderte S Strafzinsen in Höhe von 300 €. In der folgenden Zeit erhob S weitere, aus Sich des A unberechtigte, also auch nicht mit dem Drogengeschäft begründbare Forderungen, welche er zeitweise mit Drohungen und Schlägen bekräftige. A übergab deshalb wiederholt dem S aus seiner Sicht nicht geschuldete Beträge in dreistelliger Höhe. Nach einer erneuten körperlichen Gewaltanwendung und Drohung des S in Bezug auf die Familie des A nahm A eine Selbstladepistole zum nächsten Treffen mit A mit. Vorher hatte er Kokain konsumiert. A und S trafen sich im Fahrzeug des S. Dort setzte A sich auf die Rückbank hinter den Beifahrersitz und erklärte mit gezogener Waffe, dass er mehr Zeit zur Geldbeschaffung bräuchte und S nicht in die Wohnung der Familie kommen dürfe. S verspottete daraufhin den A und sagte, dass er ruhig schießen solle, weil er ihn nicht so einfach in Ruhe lasse. Daraufhin schoss A dem S mit 3 Schüssen in den Kopf aus der zuvor entsicherten Waffe. S hatte sich keines Angriffs auf sein Leib oder Leben versehen und verstarb daraufhin. Diesen Umstand nutzte der vom Kokainkonsum enthemmte, jedoch einsichts- und steuerungsfähige A bewusst zur Tatbegehung aus.
Das Landgericht beurteilte dieses Verhalten als nicht gerechtfertigt oder entschuldigt und als heimtückisch im Sinne von § 211 II StGB.
Aus den Gründen
Rechtsfehlerfrei ist die Annahme, dass keine Rechtfertigung oder Entschuldigung vorliegt. Ein andauernder und damit gegenwärtiger rechtswidriger Angriff liegt zwar vor. Jedoch war die Tötung nicht erforderlich, da A sich an die Strafverfolgungsbehörden hätte wenden können und dies auch geboten und zumutbar war. Aus dem Grundsatz „nemo tenetur“ ergibt sich nichts anderes; A hätte seine eigene Beteiligung an den Betäubungsmittelgeschäft nicht preisgeben müssen. Zudem ermöglicht § 154c II StPO eine adäquate Auflösung des Interessenkonflikts. § 33 ist nicht erfüllt, weil die Überschreitung der Notwehr nicht aus einem asthenischen Effekt heraus geschah.
Heimtücke im Sinne von § 211 II StGB liegt jedoch nicht vor. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist dabei, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Nach ständiger Rechtsprechung muss das Vorgehen nicht zwangsläufig heimlich sein. Heimtücke kann sich auch daraus ergeben, dass zwar ein offen feindseliges Entgegentreten vorliegt, die Zeitspanne zwischen Erkennen der Gefahr und dem Angriff jedoch so kurz ist, dass dem Opfer keine Möglichkeit zur Verteidigung bleibt.
Begeht der Täter die Tat als Opfer einer Erpressung in bestehender Notwehrlage, ist das Mordmerkmal „Heimtücke“ einer – auch normativ orientierten – einschränkenden Auslegung, die das im Begriff der Heimtücke innewohnende Element des Tückischen beachtet, zugänglich. In Konstellationen, in denen sich das Erpressungsopfer gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen erpresserischen Angriff durch Tötung des Erpressers wehrt, ist regelmäßig der Erpresser der Angreifer, welcher mit der Ausübung des Notwehrrechts des Erpressungsopfer jederzeit rechnen muss und somit nicht arglos ist. Letztlich kommt es auf den Verlust der Arglosigkeit nicht an, da es nicht systemgerecht erscheint, dem sich wehrenden Opfer das Risiko aufzubürden, bei Überschreitung der gesetzlichen Grenzen der Rechtfertigung oder Entschuldigung gleich heimtückisch zu handeln. Der wirkliche Angreifer ist nämlich der Erpresser, sodass in der für den Erpresser tödlichen Gegenwehr des Erpressungsopfers nicht in dem Maße das Tückische inne liegt, welches den gesteigerten Unwert des Mordmerkmals der Heimtücke kennzeichnet. Etwas anderes könnte sich jedoch ergeben, wenn das Erpressungsopfer aus einer von ihm gesuchten und vorbereiteten Situation heraus handelt.
Vorliegend wollte A den S zunächst einschüchtern und sich verteidigen, nachdem sich die Situation im Fahrzeug zugespitzt hatte. Auch wenn die gesetzlichen Notwehrgrenze überschritten wurde, liegt kein „tückisches“ Handeln vor. Sein Handeln stellte einen Gegenangriff dar, insbesondere nicht aus einer vorbereiteten Situation heraus, sodass keine Heimtücke vorliegt.