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BGH, Beschl. v. 24.08.2021 – 3 StR 247/21:Zum erneuten Inbrandsetzen eines bereits unbrauchbaren Gebäudes gem. § 306a Abs. 1 StGB

Sachverhalt:

 

Der Angeklagte A verbrannte Fotos in einem Plastikeimer. Als das Feuer auf den Eimer übergriff und Löschbemühungen des A vergeblich blieben, verließ er die Wohnung. Durch Hitz­entwicklung und Rauchgase wurden Elektroleitungen in der Wand zwischen Küche und Bad, ein Durchlauferhitzer, der Laminatboden der Küche sowie die Küchenzeile zerstört. Die Wohnung war aufgrund der Brandschäden unbewohnbar. Auch die übrigen Wohnungen in dem Mehrfamilienhaus konnten nicht bewohnt werden, da aufgrund des Brandes ein zweiter Rettungs­weg fehlte. Für A waren diese Folgen spätestens beim Verlassen des Brandherdes vorhersehbar und bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt vermeidbar. A kehrte wieder in die Wohnung zurück und entschloss sich zwei Wochen später in Suizidabsicht, das Haus in Brand zu setzen. Er entzündete dafür diverse Textilien im Badezimmer, woraufhin die hölzerne Badezimmertür und Türzargen in Brand gerieten. Das Badezimmerfenster und elektrische Installationen wurden zerstört. Daneben wurden Decken und Wände durch Ruß- und Raucheintrag derart beschädigt, dass sie nebst Dämmung durch die Feuerwehr entfernt werden mussten. Die sanitären Anlagen und eine Waschmaschine wurden komplett unbrauchbar. Die Wohnung war wiederum nicht nur vorübergehend unbewohnbar, sondern es waren auch umfassende Sanierungs­arbeiten notwendig.

 

Das LG verurteilte A wegen fahrlässiger Brandstiftung. Dies hält der rechtlichen Nach­prüfung stand. Nach Auffassung des BGH kann ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, auch dann durch eine Brandlegung teilweise zerstört werden, wenn die Wohnung bereits wegen einer vorherigen Brandstiftung unbrauchbar war.

Aus den Gründen:

„Ein teilweises Zerstören liegt bei einer Brandstiftung in einem Mehrfamilienhaus grundsätzlich vor, wenn ein zum selbstständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist.“ (Rn. 7)

Die Tatsache, dass eine Wohnung nach diesen Maßstäben bereits unbrauchbar gewesen ist, hindert nicht die Annahme ihrer weiteren Zerstörung, mithin des gesamten Gebäudes.

Mit der Erweiterung des Tatbestandes des § 306 Abs. 1 StGB im Zuge des Sechstens Gesetzes zur Reform des Strafrechts und dem damit verfolgten Ziel, erheblichen Menschengefährdungen und enormen Sachschäden gleichsam zu begegnen wie bei Brandstiftungen „herkömmlicher Art“, legte der Gesetzgeber seinen Schwerpunkt auf brandbedingte Ein­wirkungen auf die Sachsubstanz der Wohnung, nicht jedoch allein auf  die Verursachung der Unbenutzbarkeit. Die Unbrauchbarkeit einer Untereinheit ist vielmehr für die Frage von Belang, ob die Beeinträchtigung von solchen Gewicht ist, dass ein teilweises Zerstören des Gebäudes vorliegt. (Rn. 9)

Nach den Umständen des Einzelfalles können dafür zwei Tage ausreichen. Es ist demnach möglich, ein durch Brandschäden für längere Zeit unbenutzbares Objekt wiederum durch Brandlegung zu zerstören. Dafür spricht, dass neben der Erweiterung der Unbenutzbarkeit von Gebäudeteilen auch erhebliche Gefährdungen von Sachen und Personen bestehen können. Der Tatbestand des § 306a Abs. 1 StGB erfasst gerade abstrakte Gefahren für Leib und Leben von Menschen, die sich aus der teilweisen Zerstörung von Wohnungs­gebäuden durch Brandlegung wegen des damit verbundenen generellen hohen Gefährdungs­potentials ergeben. (Rn. 12)

Vor diesem Hintergrund ist nach dem Wortlaut der Norm sowie nach dem Gesetzeszweck eine enge Auslegung, nach der eine bereits durch Brandlegung unbenutzbare Wohnung als Tatobjekt generell ausscheidet, abzulehnen. Demzufolge hat A durch die zweite Brandstiftung das Wohngebäude durch Brandlegung weiter zerstört. Die Brandlegung führte zur Unbenutzbarkeit von zuvor noch nicht betroffener Wohnungs­bestandteile und zu zusätzlichen Sanierungs­arbeiten, welche die Nutzbarkeit weiter einschränkten.

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