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BGH, Urteil v. 12.08.2021 – 3 StR 474/20: Zur Abgrenzung Raub und räuberischer Erpressung

Sachverhalt (Rz. 3–6)

Der Angeklagte erwarb von dem Geschädigten zum Preis von 4.500 € eine Uhr, von der er – wie von dem Verkäufer beabsichtigt – davon ausging, es handele sich um eine echte Rolex. Als er erfuhr, dass die Uhr gefälscht war, beschloss er, den Geschädigten unter Druck zu setzen, um ihn zur Rück­erstattung des Kaufpreises zu veranlassen.

Er passte darauf hin den Geschädigten vor dessen Wohnung ab, ging unvermittelt auf ihn zu, drückte ihn gegen einen Pkw, nahm seinen Kopf mit dem linken Arm in den Schwitzkasten und schlug mehrfach mit der Faust, an der er den Schlagring trug, gegen den Kopf des Opfers. Im Zuge der körperlichen Auseinandersetzung ließ der Geschädigte versehentlich sein Handy zu Boden fallen. Schließlich gelang es ihm, sich loszureißen. und in Richtung Hauseingang zu laufen. Der Angeklagte fasste daraufhin den Entschluss, das Handy des Geschädigten an sich zu nehmen, um sich hierdurch mit Blick auf den ihm zustehenden Anspruch auf Kaufpreisrück­erstattung schadlos zu halten. Er forderte das Opfer deshalb auf, das Handy zu übergeben. Der Geschädigte wies ihn darauf hin, dass dieses auf dem Bürgersteig liege. Der Angeklagte begab er sich zurück zum Bürgersteig und nahm das zu Boden gefallene Handy an sich.

Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen schweren Raubes (§§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB) verneint, da er das Mobiltelefon nicht „weggenommen“ im Sinne des § 249 StGB habe. Der Hinweis des Opfers zum Auffindeort des Handys stelle vielmehr eine Vermögensverfügung nach §§ 253, 255 StGB dar. Eine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung komme nicht in Betracht, weil eine Absicht rechts­widriger „Zueignung“ des Angeklagten mit Blick auf seine berechtigte Forderung gegen den Geschädigten aus dem Verkauf der Uhr nicht habe festgestellt werden können.

Zur Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung (Rz. 12)

Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung erfolgt nach ständiger Rechts­prechung des Bundes­gerichtshofs nach dem äußeren Erscheinungs­bild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten. Wird dieser gezwungen, die Wegnahme der Sache durch den Täter selbst zu dulden, so liegt Raub vor; wird er dagegen zur Vornahme einer vermögensschädigenden Handlung, mithin einer Weggabe, genötigt, so ist – sofern eine Absicht rechts­widriger Bereicherung gegeben ist – eine räuberische Erpressung anzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2018 – 5 StR 606/17).

Subsumtion (Rz. 13)

Durch das versehentliche Zu-Boden-Fallen des Handys hat der Geschädigte den Gewahrsam daran nicht verloren, sondern es ist lediglich eine Gewahrsamslockerung eingetreten. Der Hinweis auf den Auffindeort des Handys stellt jedoch keine Vermögensverfügung im Sinne der §§ 253, 255 StGB dar. In der Preisgabe des Ortes, an dem der begehrte Gegenstand zu finden ist, liegt noch keine Gewahrsamsübertragung. Vielmehr wird dem Täter lediglich die Möglichkeit zum Gewahrsamsbruch und damit der eigentlichen vermögensschädigenden Handlung durch das Ansichnehmen des jeweiligen Gegenstandes eröffnet (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 – 3 StR 372/09; Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 366/05; vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 476/10; vom 3. Juli 2013 – 4 StR 186/13; vom 24. April 2018 – 5 StR 606/17).

Der Schuldspruch hält somit rechtlicher Nach­prüfung nicht stand.