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BGH, Urteil v. 12.08.2021: Versuchte Erfolgs­qualifikation, §§ 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB

Sachverhalt:

Aus Wut gegen den Vater einer Familie überredete C den S, mit ihm nachts zum Wohnhaus der Familie zu gehen, um auf diese einen Brandanschlag zu verüben. Alleine hätte C die Tat nicht ausgeführt. Er befüllte eine Glasflasche mit Wasser, eine weitere mit Benzin. Mit der ersten Flasche wollte C das Schlafzimmerfenster des Ehepaars einwerfen, mit der zweiten einen Molotow-Cocktail bauen, um diesen hinterherzuwerfen. C und S hielten es für möglich und nahmen billigend in Kauf, hierdurch einen Brand zu verursachen, der wesentliche Gebäudeteile erfasst und die schlafenden arg- und wehrlosen Familien­mitglieder und/oder andere Bewohner des Mehrfamilienhauses zu Tode bringt. Während der Autofahrt zum Tatort hielt S als Beifahrer die Flaschen zwischen seinen Füßen und sorgte dafür, dass nicht zu viel Benzin auslief. An einer Tankstelle reichte er dem C Papiertücher, aus denen jeder eine Lunte für die mit Benzin befüllte Flasche baute. Am Tatort warf C plangemäß zunächst die Wasserflasche gegen das Fenster des Ehepaars, dessen Scheibe dadurch zerbrach. Unmittelbar darauf entzündetet er die Lunte der Flasche und schleuderte diese brennend hinterher. Beide wussten und billigten, dass der Brandsatz in seiner Wirkung von nun an nicht mehr beherrschbar war, und rannten davon. Unerklärlicherweise zündete der Brandsatz nicht durch und erlosch, ohne dass ein Feuer entstand. Das Ehepaar sowie die anderen Bewohner des Hauses erwachten durch den lauten Krach, der beim Zerbrechen der Scheibe entstand. Als sie im Nachhinein realisierten, dass gerade ein Anschlag auf ihr Leben stattgefunden hatte, waren sie so verängstigt, dass sie zeitweise aus der Wohnung auszogen.

Das LG verurteilte C u.a. wegen versuchten – heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mittel begangenen – Mordes (§ 211 Abs. 2 Var. 5, Var. 7) in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306a Abs. 1 Nr. 1, §§ 306c, 22 StGB) Den S verurteilte es wegen Beihilfe zu den vorgenannten Delikten. Nach Ansicht des BGH hält dies der rechtlichen Nach­prüfung stand.

Aus den Gründen:

Das LG nahm zutreffend eine versuchte Brandstiftung mit Todesfolge gemäß §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22 StGB an. „Diese kann als Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts auch dadurch verwirklicht werden, dass der Täter zum Grunddelikt unmittelbar ansetzt, wobei er die schwere Folge beabsichtigt oder billigend in Kauf nimmt, hinsichtlich beider Tatbestände aber nicht zur Vollendung gelangt.“ (Rn. 7) Dafür muss weder das Inbrandsetzen oder die durch die Brandlegung bewirkte – zumindest teilweise Zerstörung noch die Todeserfolg verwirklicht werden.

Beim Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts werden zwei Konstellationen voneinander unter­schieden. Beim erfolgsqualifizierten Versuch wird das Grunddelikt lediglich versucht, während die schwere Folge eintritt, wobei dem Täter insoweit wenigstens fahrlässiges oder leichtfertiges Handeln vorzuwerfen ist. Die versuchte Erfolgs­qualifikation liegt vor, wenn der Täter das Grunddelikt verwirklicht und der von ihm in Kauf genommene oder sogar beabsichtigte qualifizierte Erfolg aber nicht eintritt.

Der Versuch der Erfolgs­qualifikation ist jedoch auch möglich durch bloßes unmittelbares Ansetzen zum Grunddelikt mit Vorsatz hinsichtlich der Herbeiführung der schweren Folge. Bleibt diese aus, liegt ein Unter­fall der versuchten Erfolgs­qualifikation vor. Dies lässt sich mit dem Wortlaut des § 22 StGB in Verbindung mit den jeweiligen erfolgsqualifizierten Delikten erklären: „Wer die Ausführung des Grunddelikts versucht und dabei zudem Vorsatz in Bezug auf die Herbeiführung der schweren Folge hat, setzt nach seiner Vorstellung von der Tat sowohl unmittelbar zum Grunddelikt als auch zur Verursachung der schweren Folge an.“ (Rn. 11) Dafür streitet auch die Systematik. Nach § 11 Abs. 2 StGB sind erfolgsqualifizierte Delikte insgesamt als Vorsatzdelikte zu qualifizieren. Auf diese sind die Bestimmungen zum Versuch anwendbar. Zuletzt lässt sich dies auch mit Sinn und Zweck des relevanten Normgeflechts unter­mauern. Die in den Vorstellungen des Täters liegende Gefährlichkeit seines Tuns bildet den Grund für die Versuchsstrafbarkeit (subj. Versuchstheorie). „Dieser subjektive Handlungs­unwert tritt bei demjenigen, der mit seinem Verhalten die Verwirklichung des Grunddelikts und den Eintritt der hierin angelegten schweren Folge anstrebt, unabhängig davon zutage, ob er das Grunddelikt im Ergebnis nur versucht oder vollendet. Die Erfolgs­qualifikationen sollen den besonderen (Todes-)Gefahren entgegenwirken, die von ihren Grundtatbeständen ausgehen.“ (Rn. 13) Nach der ratio legis sollen auch diejenigen Täter strafbar sein, die die Verwirklichung des Grunddelikts und der Qualifikation anstreben und in beiden Fällen scheitern.

Die Brandstiftung mit Todesfolge gemäß § 306c StGB ist versucht, wenn der Täter mit dem Tod der Bewohner des Hauses rechnet, das er versucht, in Brand zu setzen.

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