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LG Osnabrück, Beschl. v. 26.10.2021 – 3 Qs 38/21: Strafbarkeit des Vorlegens eines gefälschten Impfpasses

Sachverhalt:

B soll im Oktober 2021 einen gefälschten Impfausweis mit dem Ziel ein digitales Impfzertifikat zu erhalten vorgelegt haben. Nach dem vorgelegten Impfausweis soll B am 9.10 u. 20.08.2021 eine Impfung gegen das Coronavirus erhalten haben. Dies entspricht allerdings nicht der Wahrheit. Nachdem das Dokument vor Ort beschlagnahmt wurde, beantragte das Polizeikommissariat gegenüber dem AG Osnabrück, die Beschlagnahme gerichtlich zu bestätigen, da der Impfausweis als Beweismittel von Bedeutung sei (§ 94 StPO) bzw. nach § 111b StPO der Einziehung unterliegen könnte. Das AG hat den Antrag mit Beschluss zurückgewiesen. Das Verhalten des Beschuldigten sei nicht strafbar, da eine Strafbarkeits­lücke vorliege.

Hiergegen hat die Staats­anwaltschaft Osnabrück Beschwerde eingelegt.

Nach Ansicht des LG Osnabrück ist die Beschwerde zwar zulässig, hat allerdings in der Sache keinen Erfolg. Das AG hat den Antrag auf gerichtliche Bestätigung der Beschlagnahme zu Recht zurückgewiesen.

Aus den Gründen:

Das Vorlegen eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke zur Erlangung eines digitalen Impfzertifikates stellt nach der derzeitigen Rechts­lage kein strafbares Handeln dar. Es liegt eine Strafbarkeits­lücke vor.

Eine Strafbarkeit nach § 267 BGB liegt nicht vor. Zwar sind die Tatbestands­voraussetzungen nach § 267 BGB erfüllt, jedoch entfalten die § 277 StGB und § 279 BGB aF als lex specialis Sperr­wirkung. Bei §§ 277, 279 StGB aF handelt es sich nach der hM um Spezial­vorschriften für den Fall das ein unechtes oder gefälschtes Gesundheitszeugnis vorliegt. Die Verdrängungs­wirkung tritt unabhängig davon ein, ob die übrigen Voraussetzungen der §§ 277, 279 StGB aF erfüllt sind, den mit ihrem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe enthalten diese Vorschriften eine Privilegierung gegenüber der Strafandrohung des § 267 StGB.

Der Impfpass stellt ein Gesundheitszeugnis iSd §§ 277, 279 StGB aF dar. „Danach sind Gesundheitszeugnisse Datenurkunden, in denen der Gesundheitszustand eines Menschen beschrieben wird. Gegenstand können insofern frühere Erkrankungen oder Verletzungen, eine Prognose über die künftige gesundheitliche Entwicklung, die Bescheinigung durchgeführter therapeutischer Maßnahmen oder die Geburt selbst sein (Erb in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage, § 277 Rn. 2). Dar­unter fällt auch der Impfpass, da die Impfung eine Information über die voraussichtlich gesteigerte Immunabwehrkraft als Aspekt des Gesundheitszustandes impliziert und der Impfnachweis Informationen über die Existenz bestimmter körperbezogener Umstände, die auf den Gesundheitszustand dieses Menschen mehr oder weniger Einfluss ausüben müssen oder doch können, enthält (RGSt 24, 284 (285)).“ Rn. 8

§ 277 u. § 279 StGB aF setzten voraus das die Täuschung gegenüber einer Behörde oder Versicherungs­gesellschaft vorgenommen wird

Die Apotheke stellt jedoch keine Behörde iSd §§ 277, 279 StGB aF dar. „Eine Behörde ist danach ein ständiges, vom Wechsel bzw. Wegfall einzelner Personen unabhängiges, in das Gefüge der staatlichen Verwaltung eingeordnetes Organ, das mit öffentlicher Autorität auf die Erreichung von Staats­zwecken oder staatlich geförderten Zwecken hinwirkt (BGHZ 25, 186; NJW 1957, 1673). Bei einer Apotheke handelt es sich vielmehr um ein privates Unternehmen.“ Rn. 9

Die Tatsache, dass Behörden im Rahmen der Änderung des IfSG die Aufgabe übertragen wurde, das digitale Impfzertifikat auszustellen (§ 22 Abs. 5 Nr. 1 IfSG), macht die Apotheken ebenfalls noch nicht zu einer Behörde. Die Apotheken können allenfalls als „sonstige Stellen“ iSd § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB eingeordnet werden.

Für ein „Gebrauch machen“ iSd § 277 StGB aF u. § 279 StGB aF genügt zwar das Verbringen des Dokuments in den Macht­bereich der Behörde mit der Möglichkeit der sinnlichen Wahrnehmung bzw. Kenntnisnahme, was auch mittelbar über (gutgläubige) dritte Personen geschehen kann. Gem. § 22 Abs. 5 IfSG übermitteln die Apotheken, nachdem ihnen der Impfpass vorgelegt wurde, die personenbezogenen Daten an das RKI, welches das Impfzertifikat technisch generiert. Jedoch wird das gefälschte oder unechte Dokument selbst nicht übermittelt.

Es ist davon auszugehen, dass vorliegende Konstellation zum Zeitpunkt der Gesetzeseinführung nicht berücksichtigt wurde. Auch im Zuge neuster Gesetzesänderungen wurde eine Änderung zur Schließung von Strafbarkeits­lücken betreffend dem Herstellen von unechten Impfpässen bzw. dem Fälschen echter Impfpässe und deren Gebraucht durch Laien im privaten Rechts­verkehre bisher nicht vorgenommen.

Es besteht somit kein Verdacht der Strafbarkeit nach §§ 277, 279 StGB aF bzw. § 267 StGB. Eine Beschlagnahme nach § 94 StPO bzw. § 111b StPO kommt somit mangels Anfangsverdachts nicht in Betracht (ggf. Beschlagnahme jedoch auf Grundlage des polizeirechtlichen Gefahrenabwehrrechts möglich).