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BGH Beschl. v. 20.12.22 – 2 StR 267/22 – Zur gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB

Sachverhalt

A und N trafen sich in der Wohnung des Z, um sich auszusprechen; N behauptete, dass die Verlobte P des A ihm schöne Augen mache.

N ist alkoholkrank und leidet an Leberzirrhose, weshalb seine Bewegungen, sein Gang und seine Sprache verlangsamt sind. Bei A liegt ein Abhängigkeits­syndrom für Alkohol und eine kombinierte Persönlichkeits­störung mit emotional-instabilen, dissozialen und paranoiden Anteilen vor. Vor und während dem Vorfall konsumierte A Alkohol.

In der Wohnung stelle A den N zur Rede und schlug diesen mehrmals mit der Faust, flachen Hand oder Handkante gegen den Schädel und das Gesicht. Schließlich entschuldigte sich N telefonisch bei P. Daraufhin schliefen A und N aneinander gelehnt auf einer Couch sitzend ein. Nach dem Aufwachen versetzte A dem N erneut mehrere Schläge, überwiegend auf die schon verletzten Stellen, sodass N blutete. Folge davon waren mehrere Einblutungen, Hämatome, ein Monokelhämatom sowie Hautrötungen.

Aus den Gründen

Entgegen der Annahme des Landgerichts liegt keine gefährliche Körperverletzung nach § 224 I Nr. 5 StGB vor.

Eine gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt eine Körperverletzung „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ voraus. Zwar muss die Tathandlung nicht dazu führen, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebens­gefahr gerät; jedoch muss die jeweilige Ein­wirkung durch den Täter nach den Umständen generell geeignet sein, das Leben des Opfers zu gefährden. Maßgeblich ist danach die Schädlichkeit der Ein­wirkung im Einzelfall, also die Gefährlichkeit und nicht die eingetretenen Verletzungen. Schläge gegen den Kopf des Opfers können im Einzelfall § 224 I Nr. 5 verwirklichen.

Vorliegend konnte eine potenzielle Gefahr für das Leben des N durch die Schläge in objektiver Hinsicht nicht festgestellt werden. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass die Schläge gegen den Kopf mit der flachen Hand ausgeführt wurden. Eine lebens­gefährliche Behandlung unter diesem Umstand würde voraussetzen, dass Umstände in der Tatausführung oder individuelle Besonderheiten beim Tatopfer vorliegen, welche das Gefahrenpotenzial im Vergleich zu einer einfachen Körperverletzung deutlich erhöhen.

Die festgestellten Verletzungen waren auch nicht so gravierend, dass diese lediglich mit einer das Leben gefährdenden Behandlung verursacht werden konnten; denn nach den ersten Schlägen hatte das Opfer „etwas am Auge und an der Lippe gehabt, was ein bisschen aufgeplatzt gewesen sei“. Die weiteren Schläge führte A überwiegend auf die schon verletzten Stellen. Es lassen sich jedoch keine Rückschlüsse darauf führen, dass eine Kumulation der sukzessive beigebrachten Verletzungen geeignet war, das Leben des Opfers zu gefährden.

Aufgrund der Vorschädigung des N bestanden zwar konkrete Risikofaktoren für das Auftreten von Blutungen. Allerdings konnte nicht überzeugend dargelegt werden, inwiefern die Sturzgeneigtheit des N die Gefährlichkeit erhöhte, zumal N im Zeitpunkt der Schläge saß.

Davon abgesehen liegt auch der subjektive Tatbestand nicht vor. Für den Körperverletzungs­vorsatz im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist danach zumindest erforderlich, dass der Täter die Umstände erkennt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt. Dabei muss der Täter sie nicht als solche bewerten, jedoch muss die

Handlung nach seiner Vorstellung auf Lebens­gefährdung „angelegt“ sein. In Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit müssen bei der Annahme eines bedingten Verletzungs­vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden.

Dem wird allein die Feststellung, A wäre die Vorschädigung des N bewusst gewesen, nicht gerecht. Daraus geht nicht hervor, dass er eine über die einfache Körperverletzung hinausgehende Gefährdung für das Leben des N erkannte und billigte.

Angesichts des nicht im Einzelnen feststellbaren Tatgeschehens, der nicht ausschließbar mit der flachen Hand geführten Schläge gegen den sitzenden Nebenkläger und der dem Angeklagten sicher zurechenbaren Verletzungs­folgen konnte das Landgericht nicht davon ausgehen, dass sich die angenommene Gefährlichkeit der Behandlung – Schläge mit der flachen Hand – dem Angeklagten aufdrängen musste.

Zudem war die Alkoholintoxikation und festgestellte Persönlichkeits­störung geeignet, dessen Fähigkeit, die entsprechenden Umstände zu erkennen, zu beeinflussen und unter Umständen der Beurteilung des kognitiven Vorsatzelements die Grundlage zu entziehen.

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