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BGH Beschl. v. 25.10.2022 – 4 StR 265/22: Zum schweren Wohnungs­einbruchsdiebstahl und der konkurrenzrechtlichen Bewertung eines vollenden Grund- und versuchten Qualifikations­tatbestandes

Sachverhalt:

Der Angeklagte drang in ein Einfamilienhaus in M. ein, indem er das Küchenfenster mit einem Schraubenzieher aufhebelte, und entwendete verschiedene Gegenstände im Wert von insgesamt mindestens 8.000 €. Er hatte dabei die Vorstellung, das – noch vollständig möblierte und ausgestattete – Haus sei aktuell bewohnt. Tatsächlich war der einzige Bewohner bereits zuvor verstorben.

Aus den Gründen:

Zum Wohnungs­einbruchsdiebstahl:

Da eine als Wohnstätte voll funktions­fähige Unterkunft ihre Eigenschaft als Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch nach dem Tod des Bewohners behält, sofern sie nicht entwidmet wird, hat sich der Angeklagte insoweit wegen vollendeten Wohnungs­einbruchdiebstahls strafbar gemacht. Hinsichtlich des schweren Wohnungs­einbruchdiebstahls gemäß § 244 Abs. 4 StGB fällt ihm hingegen nur ein (untauglicher) Versuch zur Last, da das Haus nach dem Tod des Bewohners nicht mehr tatsächlich bewohnt wurde und damit keine dauerhaft genutzte Privatwohnung im Sinne der Vorschrift mehr war. (Rn. 8)

Zu den Konkurrenzen:

Die Rechts­prechung hat bereits entschieden, dass der versuchte Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung gemäß § 244 Abs. 4, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB konkurrenzrechtlich nicht hinter einem vollendeten Einbruchdiebstahl gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB zurücktritt, der handlungs­einheitlich an einem anderen Tatobjekt verübt wird. Vielmehr ist zwischen beiden Tatbeständen Idealkonkurrenz i.S.d. § 52 Abs. 1 StGB anzunehmen, um den Schutz der Privatwohnung durch den Qualifikations­tatbestand zum Ausdruck zu bringen. Dies gilt auch für den Fall, in der beide Delikte am selben Objekt begangen werden und in Bezug auf die dauerhafte genutzte Privatwohnung ein untauglicher Versuch vorliegt. (Rn. 10 f.)

Werden durch dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt, ist grundsätzlich von Tateinheit auszugehen. Die Ausnahme von diesem Grundsatz bilden die Fall­gruppen der Gesetzeseinheit. Diese ist gegeben, wenn ein Verhalten zwar mehrere Straf­vorschriften erfüllt, zur Erfassung des Unrechts­gehalts der Tat aber die Anwendung bereits eines Tatbestands ausreicht, hinter dem die übrigen Tatbestände zurücktreten. (Rn. 12)


Ob Tateinheit oder Gesetzeseinheit gegeben ist, ist durch eine wertende Auslegung der in Betracht kommenden Straf­vorschriften zu ermitteln.  Kennzeichen der Gesetzeseinheit ist es, dass die Verletzung des durch den einen Tatbestand geschützten Rechts­guts eine notwendige oder zumindest regelmäßige Erscheinungs­form der Verwirklichung des anderen Tatbestands ist. In diesem Sinne liegt Gesetzeseinheit in Form der hier in Betracht kommenden Spezialität vor, wenn ein Tatbestand alle Tatbestandsmerkmale eines anderen Tatbestands sowie mindestens ein weiteres Merkmal enthält, so dass die Erfüllung des einen – spezielleren – Tatbestands notwendig die Verwirklichung des anderen Tatbestands voraussetzt. (Rn. 13)


Nach diesen Maßstäben stehen in einem Fall wie dem vorliegenden der (vollendete) Wohnungs­einbruchdiebstahl und der versuchte schwere Wohnungs­einbruchdiebstahl zueinander im Verhältnis der Tateinheit (Idealkonkurrenz). Zwar gilt im Ausgangspunkt, dass der schwere Wohnungs­einbruchdiebstahl das gegenüber dem Wohnungs­einbruchdiebstahl speziellere Delikt ist, da der Tatbestand des § 244 Abs. 4 StGB – wie die in Abs. 4 enthaltene Verweisung zeigt – alle Tatbestandsmerkmale des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB umfasst und als weiteres Merkmal hinzutritt, dass die Wohnung, auf die sich die Tat bezieht, eine dauerhaft genutzte Privatwohnung sein muss. Dies hat zur Folge, dass § 244 Abs. 4 StGB als speziellerer Tatbestand die lex generalis des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB verdrängt, wenn beide Tatbestände aufgrund desselben Sachverhalts vollständig verwirklicht werden. In diesem Fall lautet der Schuldspruch somit lediglich auf schweren Wohnungs­einbruchdiebstahl. Entsprechend ist, wenn beide Tatbestände lediglich versucht sind, allein wegen versuchten schweren Wohnungs­einbruchdiebstahls zu verurteilen. (Rn. 15)

Wird der Grundtatbestand vollendet, während der Qualifikations­tatbestand nur ins Versuchsstadium gelangt, ist aus Gründen der Klarstellung regelmäßig nicht Gesetzes-, sondern Idealkonkurrenz anzunehmen. Andernfalls bliebe die Vollendung des Grunddelikts allein deshalb unberücksichtigt, weil der Täter mit dem Qualifikations­tatbestand noch schwereres Unrecht verwirklichen wollte, als er tatsächlich verwirklicht hat. Durch die Annahme von Tateinheit wird dagegen bereits im Schuldspruch zum Ausdruck gebracht, dass der Täter einerseits den durch das Einbrechen in eine Wohnung qualifizierten Angriff auf das Rechts­gut des Eigentums vollendet und somit den Tatbestand des Wohnungs­einbruchdiebstahls gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vollständig verwirklicht, darüber hinaus aber nach seiner Vorstellung von der Tat auch noch unmittelbar dazu angesetzt hat (§ 22 StGB), aus einer dauerhaft genutzten Privatwohnung im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB zu stehlen und damit noch schwereres Unrecht zu verwirklichen, das in dem Eingriff in den persönlichen Lebens­bereich des Betroffenen liegt. (Rn. 16)

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