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BGH, Beschl. v. 26.10.2022 – 4 StR 248/22: Zu § 315c I Nr. 2b, d und zu Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge

Sachverhalt (Rz. 4 – 6)

Am 2. Februar 2021 fuhr der Angeklagte in B. mit einem Audi RS 5 Sportback, der eine Höchstgeschwindigkeit von 286 km/h erreichen konnte. In dem Fahrzeug befanden sich neben ihm drei weitere junge Männer. Aus Imponiergehabe beschloss der Angeklagte, seine Fahrkünste zu zeigen und das Fahrzeug maximal zu beschleunigen. Er kannte die Strecke und wusste, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu Beginn 50 km/h und später, wo das Fahrzeug von der Straße abkam, nur noch 30 km/h betrug. Die Wetter­verhältnisse waren schlecht, es regnete und die Temperaturen lagen knapp über dem Gefrierpunkt.

Trotz der bekannten Gefahren entschied sich der Angeklagte bewusst für die Risiken und beschleunigte sein Fahrzeug. Er überholte mehrere andere Fahrzeuge und wechselte dabei wiederholt die Fahrspur ohne den Blinker zu betätigen. Dadurch gefährdete er seine Mitinsassen und andere Verkehrs­teilnehmer erheblich, wobei der Eintritt eines Schadensfalls mit schweren Sach- und Personenschäden nur vom Zufall abhing.

Bei einer Geschwindigkeit von mindestens 150 km/h berührte das Vorderrad des Fahrzeugs die Bordsteinkante, wodurch der Angeklagte die Kontrolle über das Fahrzeug verlor. Der Wagen kam von der Fahrbahn ab, kollidierte mit einem Baum und anderen Gegenständen am Fahrbahnrand und wurde in mehrere Teile zerlegt. Die drei Mitfahrer erlitten dabei tödliche Verletzungen, während der Angeklagte nur leicht verletzt wurde.

Aus den Gründen

Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c I Nr. 2b, d nicht. (Rz. 7)

„§ 315c I StGB setzt in allen Tatvarianten eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert voraus. Dies ist der Fall, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebens­erfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wurde, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechts­gut verletzt wurde oder nicht. Erforderlich ist die Feststellung eines „Beinahe-Unfalls“, also eines Geschehens, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, es sei „noch einmal gut gegangen“. Für die Annahme einer konkreten Gefahr genügt es daher nicht, dass sich Menschen oder Sachen in enger räumlicher Nähe zum Täterfahrzeug befunden haben. Umgekehrt wird die Annahme einer Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, weil sich der Gefährdete – etwa aufgrund über­durchschnittlich guter Reaktion – noch zu retten vermochte.“ (Rz. 8)

Vorliegend fehlt es an Feststellungen, die einen „Beinahe-Unfall“ belegen. Nicht ausreichend hierfür sind Zeugenaussagen über aufgewirbeltes Spritzwasser oder Erschrecken als persönliche Reaktion. (Rz. 9)

In Bezug auf eine Verurteilung wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d I Nr. 3, II, V ergeben sich keine Rechts­fehler. Es ist jedoch hinzuzufügen, dass der Anwendung der Qualifikations­tatbestände nicht entgegensteht, dass es sich bei den gefährdeten und getöteten Personen um Mitinsassen des Tatfahrzeugs handelte. Dies ist der Fall, solange die Mitinsassen nicht Tatbeteiligte i.S.d. § 28 II sind. Insofern besteht eine Parallele zwischen § 315d II, V und § 315c I. (Rz. 10 – 11)

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