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BGH, Beschl. v. 25.10.2022 – 4 StR 268/22: Zur Brandstiftung an fremden Warenlagern oder -vorräten

Sachverhalt (Rz. 2) 

Der Angeklagte A zündete eine Holzpalette an, die sich neben eine Vielzahl weiterer Holzpaletten sowie leerer Lager- und Materialboxen unter dem Vordach einer Lagerhalle eines Industriedienstes befand. Dabei hielt es der A zumindest ernstlich für möglich, dass das dadurch entstehende Feuer um sich greifen und die weiteren Holzpaletten und später auch das gesamte Gebäude erfassen könnte, was er jedenfalls billigend in Kauf nahm. Tatsächlich entzündete der Brand sämtliche dort abgelegten Paletten und griff auf die Lagerhalle über. Durch das vollständige Niederbrennen der Halle, des dort gelagerten Materials und von Maschinen entstand ein Schaden von mindestens vier Millionen Euro. 

Zum Vorliegen eines Tatobjekts nach § 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB  (Rz. 5, 6) 

Gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB macht sich strafbar, wer fremde Warenlager oder -vorräte in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört. Waren sind körperliche Gegenstände, die zum gewerblichen Umsatz, regelmäßig zum Verkauf, bestimmt sind (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 371/18 Rn. 9, BGHSt 63, 300; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 306 Rn. 6). Die Begriffs­bestimmung der Waren als zum Umsatz bestimmte beweglichen Sachen entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch, wie er auch in § 92 Abs. 2 BGB und § 241a Abs. 1 BGB seinen Niederschlag gefunden hat. Zu einem anderen Begriffsverständnis geben auch die Gesetzesmaterialien (BGBl. I S. 164) keinen Anlass (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 47, 69, 86). Der Gesetzgeber hat bewusst den umfassenderen Begriff des Magazins aufgegeben, zu dem nach der Rechts­prechung ein Gebäude, eine Baulichkeit oder eine sonstige dauernde Einrichtung zählten, in welchen „bestimmungs­gemäß größere Vorräte von Waren, Konsumtibilien, Kriegsbedürfnissen oder dergleichen Gegenständen aufgespeichert werden“ (vgl. RG, Urteil vom 11. März 1886 – 255/86, RGSt 13, 407). Keine Waren im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind demnach Gegenstände, die zum Eigenverbrauch oder zur Weiterverarbeitung vor Ort bestimmt sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2018 – 5 StR 603/18 Rn. 6, BGHSt 63, 111, 113). 

Zum Vorliegen eines Tatobjekts nach § 306 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB  (Rz. 7) 

Ein Gebäude nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist ein durch Wände und Dach begrenztes, mit dem Erdboden verbundenes Bauwerk, das den Eintritt von Menschen gestattet (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1954 – 1 StR 494/53, BGHSt 6, 107). Der objektive Tatbestand von § 306 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist erfüllt, wenn die Lagerhalle mit Materialien und Maschinen eine Sachgesamtheit von baulichen Anlagen und Inventar darstellte, die einem gewerblichen Betrieb dienen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2014 – 3 StR 353/13 Rn. 16).  

Zum subjektiven Tatbestand der Brandstiftung (Rz. 8) 

Eine vollendete Brandstiftung  in der Variante der Inbrandsetzung setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz), dass durch seine Tathandlung das in Rede stehende Tatobjekt vom Feuer ergriffen wird und selbständig weiterbrennt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2020 – 4 StR 324/19 Rn. 17, NStZ 2020, 402 mwN). Dabei muss sich der Vorsatz auch auf den zum Eintritt des Erfolges führenden Geschehensverlauf erstrecken, wobei eine Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf nach der Rechts­prechung des BGH als unwesentlich anzusehen ist, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebens­erfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 223/15 Rn. 12 mwN). Das Bestehen eines solchen Vorsatzes im Tatzeitpunkt ist – sofern sich dies nicht ausnahmsweise von selbst ergibt – beweiswürdigend zu belegen. Bei einem leugnenden Angeklagten können innere Tatsachen wie seine Vorstellungen über die möglichen Folgen seines Handelns und deren Billigung regelmäßig durch Rückschlüsse aus dem äußeren Tatgeschehen festgestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 5. September 2017 – 5 StR 222/17 Rn. 17, NJW 2018, 246, 248). Ein wesentlicher Anknüpfungs­punkt für die Frage, ob der Täter mit Brandstiftungs­vorsatz gehandelt hat, ist der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass ein Tatobjekt in Brand gerät (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2013 – 1 StR 578/12 Rn. 28, NStZ 2014, 647, 651 mwN). Maßgebend ist insoweit aber stets eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände (vgl. Urteil vom 6.Dezember 2018 –4StR 371/18 Rn. 24 f., BGHSt 63, 300). 

Subsumtion (Rz. 6, 7, 9) 

Daran gemessen tragen die Feststellungen des Landgerichts die Annahme tauglicher Tatobjekte im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht. Aus den Urteilgründen ergibt sich auch in ihrer Gesamtheit nicht, dass das in der Halle gelagerte Material und die Maschinen selbst zum gewerblichen Umsatz bestimmt waren. Das versteht sich angesichts der knappen Information zur Nutzerin der Halle („Industriedienste“) und zu den gelagerten Sachen („Material“) auch nicht von selbst, da der Begriff „Material“ gerade nicht zur Veräußerung vorgesehene Produkte sondern vielmehr Gegenstände nahelegt, die zum eigenen Verbrauch oder zur Weiterverarbeitung bestimmt und daher von der Vorschrift des § 306 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht geschützt sind. 

Jedoch kann den insoweit rechts­fehlerfreien Feststellungen entnommen werden, dass durch den Angeklagten Tatobjekte in Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB in Brand gesetzt worden sind.  

Dennoch ergeben die Urteilsgründe nicht, dass sich der A einer Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 StGB schuldig gemacht hat, da die Annahme des Landgerichts, der A habe hinsichtlich der Brandlegung mit bedingtem Vorsatz gehandelt, nicht beweiswürdigend belegt ist. Das Landgericht hat zwar festgestellt, dass der A es zumindest für ernstlich möglich hielt, dass das durch das Anzünden der Palette entstehende Feuer um sich greifen und die weiteren Holzpaletten und später auch das gesamte Gebäude erfassen konnte, was er jedenfalls billigend in Kauf nahm. In der Beweiswürdigung finden sich aber keinerlei Erwägungen dazu, woraus sich diese Feststellung ergibt. Es ist auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen, aus welchen Umständen (beispielsweise aus dem Abstand der Paletten von der Gebäudewand bzw. dem Vordach oder aus der Beschaffenheit von Hallenwand bzw. Vordach) die Strafkammer gefolgert hat, der A habe ein Übergreifen der Flammen von der von ihm angezündeten Holzpalette unter dem Vordach auf die Halle für möglich gehalten und gebilligt. Ausführungen dazu sind auch nicht entbehrlich, weil sich angesichts der spärlichen Feststellungen zu den Örtlichkeiten und sonstigen Umständen der für den Brandstiftungs­vorsatz wesentliche Grad der Wahrscheinlichkeit dafür, dass durch das Anzünden einer Palette auch die Lagerhalle in Brand gerät, nicht von selbst versteht. 

Der Schuldspruch wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. StGB kann somit keinen Bestand haben.  

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