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BGH, Beschl. v. 10.01.2023 – AK 49/22: Zu den Mordmerkmalen „niedrige Beweggründe“ und „Heimtücke“

Sachverhalt: (Rn. 7 – 21)

Der Angeschuldigte gehört der Reichsbürger- bzw. Selbstverwalterszene an. Er teilt die Über­zeugung, dass das Deutsche Reich fortbestehe, juristisch niemals unter­gegangen und die Bundes­republik Deutschland lediglich eine privatrechtliche Gesellschaft ohne Hoheitsrechte sei. Vor diesem Hintergrund stellt der Angeschuldigte die Legitimität der Bundes­republik Deutschland und ihrer Organe in Abrede, sieht rechtliche Verpflichtungen, die ihm von staatlicher Seite auferlegt werden, als nicht bindend an und befürwortet den Einsatz von Gewalt, um sich gegen staatliche Maßnahmen zur Wehr zu setzen. Nachdem er sich mehrere Waffen, dar­unter auch Maschinengewehre, besorgte, widerrief die zuständige Waffenbehörde wegen Unzuverlässigkeit die erteilte Waffenbesitz­erlaubnis. Der Angeschuldigte kam den damit folgenden Verpflichtungen nicht nach. Daher fuhren am Morgen des 20.04.22 14 SEK-Beamte zum Wohnsitz des Angeschuldigten, um einen inzwischen ergangenen Durchsuchungs­beschluss zu vollstrecken. Der Angeschuldigte eröffnete aus der Wohnung heraus das Feuer auf die Beamten, wobei jedoch niemand verletzt wurde. Zwei Stunden nach den ersten Schüssen erkannte er, dass er nichts gegen die polizeiliche Über­macht ausrichten könne und verließ das Haus, sodass er festgenommen werden konnte.

Aus den Gründen:

Es liegt das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vor, § 211 II Gr. 1 Var. 4 StGB. (Rn. 30)

Ob die Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb besonders verachtenswert erscheinen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungs­antriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu beurteilen. (Rn. 31)

Vorliegend ist der Verdächtige dringend verdächtig, die Beamten aufgrund ihrer Funktion als Organ der für den Angeschuldigten nicht existenten Bundes­republik Deutschland angegriffen zu haben. Ihm ging es darum, seine ersichtlich unzutreffende Rechts­auffassung durchzusetzen und sich aus egoistischen Motiven staatlicher Einflussnahme zu entziehen. Seine Über­zeugung legitimierte aus seiner Sicht den Tod der Polizeibeamten, die er in entpersönlichter Weise gleichsam als Repräsentanten der von ihm nicht anerkannten Staats­gewalt ansah. Die versuchte Tötung hatte ihre Wurzel in der ideologischen Über­zeugung des Angeschuldigten, die darauf gerichtet ist, sich bewusst über die rechtlichen Regeln hinwegzusetzen, deren Beachtung für das Funktionieren eines demokratisch und rechts­staatlich verfassten Gemeinwesens konstitutiv ist. Eine solche Motivlage erweist sich nicht nur als im besonderen Maß gemeinschafts­bedrohlich, sondern ist mit grundlegenden gesellschaft­lichen Wertentscheidungen schlechthin unvereinbar und steht damit sittlich auf tiefster Stufe. (Rn. 32)

Zudem handelte der Angeschuldigte heimtückisch, § 211 II Gr. 2 Var. 1 StGB. Der entsprechende Beamte rechnete im konkreten Zeitpunkt der Schüsse nicht mit einem Beschuss. Ein berufs- oder rollenbedingtes generelles Misstrauen führt als solches noch nicht zu einem dauerhaften Ausschluss der Arglosigkeit. (Rn. 33)

Auch ein Rücktritt vom Versuch nach § 24 I 1 StGB ist abzulehnen, da er unfreiwillig von der weiteren Tatausführung absah, nachdem er erkannte, dass er sein Ziel, die Polizeibeamten zu töten, nicht mehr erreichen konnte. (Rn. 34)

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