Sachverhalt: (Rn. 7 – 21)
Der Angeschuldigte gehört der Reichsbürger- bzw. Selbstverwalterszene an. Er teilt die Überzeugung, dass das Deutsche Reich fortbestehe, juristisch niemals untergegangen und die Bundesrepublik Deutschland lediglich eine privatrechtliche Gesellschaft ohne Hoheitsrechte sei. Vor diesem Hintergrund stellt der Angeschuldigte die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Organe in Abrede, sieht rechtliche Verpflichtungen, die ihm von staatlicher Seite auferlegt werden, als nicht bindend an und befürwortet den Einsatz von Gewalt, um sich gegen staatliche Maßnahmen zur Wehr zu setzen. Nachdem er sich mehrere Waffen, darunter auch Maschinengewehre, besorgte, widerrief die zuständige Waffenbehörde wegen Unzuverlässigkeit die erteilte Waffenbesitzerlaubnis. Der Angeschuldigte kam den damit folgenden Verpflichtungen nicht nach. Daher fuhren am Morgen des 20.04.22 14 SEK-Beamte zum Wohnsitz des Angeschuldigten, um einen inzwischen ergangenen Durchsuchungsbeschluss zu vollstrecken. Der Angeschuldigte eröffnete aus der Wohnung heraus das Feuer auf die Beamten, wobei jedoch niemand verletzt wurde. Zwei Stunden nach den ersten Schüssen erkannte er, dass er nichts gegen die polizeiliche Übermacht ausrichten könne und verließ das Haus, sodass er festgenommen werden konnte.
Aus den Gründen:
Es liegt das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vor, § 211 II Gr. 1 Var. 4 StGB. (Rn. 30)
Ob die Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb besonders verachtenswert erscheinen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu beurteilen. (Rn. 31)
Vorliegend ist der Verdächtige dringend verdächtig, die Beamten aufgrund ihrer Funktion als Organ der für den Angeschuldigten nicht existenten Bundesrepublik Deutschland angegriffen zu haben. Ihm ging es darum, seine ersichtlich unzutreffende Rechtsauffassung durchzusetzen und sich aus egoistischen Motiven staatlicher Einflussnahme zu entziehen. Seine Überzeugung legitimierte aus seiner Sicht den Tod der Polizeibeamten, die er in entpersönlichter Weise gleichsam als Repräsentanten der von ihm nicht anerkannten Staatsgewalt ansah. Die versuchte Tötung hatte ihre Wurzel in der ideologischen Überzeugung des Angeschuldigten, die darauf gerichtet ist, sich bewusst über die rechtlichen Regeln hinwegzusetzen, deren Beachtung für das Funktionieren eines demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Gemeinwesens konstitutiv ist. Eine solche Motivlage erweist sich nicht nur als im besonderen Maß gemeinschaftsbedrohlich, sondern ist mit grundlegenden gesellschaftlichen Wertentscheidungen schlechthin unvereinbar und steht damit sittlich auf tiefster Stufe. (Rn. 32)
Zudem handelte der Angeschuldigte heimtückisch, § 211 II Gr. 2 Var. 1 StGB. Der entsprechende Beamte rechnete im konkreten Zeitpunkt der Schüsse nicht mit einem Beschuss. Ein berufs- oder rollenbedingtes generelles Misstrauen führt als solches noch nicht zu einem dauerhaften Ausschluss der Arglosigkeit. (Rn. 33)
Auch ein Rücktritt vom Versuch nach § 24 I 1 StGB ist abzulehnen, da er unfreiwillig von der weiteren Tatausführung absah, nachdem er erkannte, dass er sein Ziel, die Polizeibeamten zu töten, nicht mehr erreichen konnte. (Rn. 34)