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BGH, Beschl. v. 11.04.2023 – 5 StR 458/22 – Zum besonders schweren Fall der Urkunden­fälschung nach § 267 Abs. 3 StGB

Sachverhalt:

Eine gesondert verfolgte Freundin der Beschwerdeführerin geriet in den Verdacht, maßgeblich an einem Diebstahl zum Nachteil ihres Arbeitgebers, einem mit der Auslieferung großer Bargeldmengen befassten Unternehmen, beteiligt gewesen zu sein. Ihr lag zur Last, am 21. Mai 2021 während ihrer Arbeits­zeit fast acht Millionen Euro in einem Rollcontainer versteckt, das Geld damit durch die Sicherheitsschleuse aus dem Firmengebäude gebracht, den Container auf dem Firmenhof gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten K. in einen Kleintransporter mit kurz zuvor gestohlenen Kfz-Kennzeichen verladen zu haben und anschließend gemeinsam mit K. mit dem Fahrzeug und der Diebesbeute geflüchtet zu sein.

Aus den Gründen:

Zur hier einzig streitigen Frage der besonders schweren Urkunden­fälschung: Die Regelung des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter der Urkunden­fälschung einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt. Danach ist zwar ein Zusammenhang zwischen Urkunden­fälschung und Vermögensverlust erforderlich. Entgegen der Revision ist aber weder aus dem Gesetzeswortlaut noch sonst ersichtlich, dass der Vermögensverlust unmittelbar durch eine Tathandlung des § 267 Abs. 1 StGB herbeigeführt werden muss. Dies ergibt sich aus den folgenden Argumenten:

Im Gesetzeswortlaut des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB findet die von der Beschwerdeführerin behauptete Tatbestands­voraussetzung eines Unmittelbarkeits­zusammenhangs keine Stütze. Die Vorschrift verlangt lediglich, dass der Täter (der Urkunden­fälschung) den Vermögensverlust herbeiführt. Sie gibt aber nicht vor, dass er den Schaden unmittelbar durch eine Tathandlung im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB verursacht haben muss.

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich ebenfalls kein Anhalt für einen entsprechenden restriktiven Willen des Gesetzgebers.

Ebenso wenig streiten systematische Erwägungen für die Meinung der Beschwerdeführerin. Ein Vergleich mit der Auslegung des Regelbeispiels der gewerbsmäßigen Begehung der Urkunden­fälschung (§ 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) durch die obergerichtliche Rechts­prechung legt das Gegenteil nahe. Denn danach ist es nicht erforderlich, dass der Täter seine Einnahmen unmittelbar aus der Urkunden­fälschung selbst erzielen muss.

Vor allem sprechen aber teleologische Erwägungen maßgeblich gegen ein derartig enges Normverständnis. Legte man ein solches zugrunde, müsste allein das Herstellen einer unechten Urkunde, das Verfälschen einer echten Urkunde oder das Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde den Vermögensverlust unmittelbar verursachen. Eine solche Fallkonstellation stellt indes allenfalls eine denktheoretische Möglichkeit dar; die Norm des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB hätte mithin keinen praktischen Anwendungs­bereich.

Gemessen daran lagen die Voraussetzungen des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB im Anordnungs­zeitpunkt vor. Der Diebstahl war noch nicht mit der Verbringung des geldbefüllten Rollcontainers vollendet. Angesichts der Sperrigkeit und des Gewichts des Diebesgutes bedurfte es noch des Abtransports mit dem Tatfahrzeug, an dem gestohlene, für ein anderes Kfz ausgegebene amtliche Kennzeichen angebracht waren. Der darin liegende Gebrauch einer unechten zusammengesetzten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB diente dabei ersichtlich tatplangemäß dem Abtransport der Tatbeute und damit der Vollendung des Diebstahls sowie der Verhinderung der Tatendeckung, was zu einer Sicherung des Diebesgutes und somit zu einem endgültigen Vermögensverlust des geschädigten Unternehmens führen sollte. Damit ist der erforderliche Zusammenhang zwischen der Urkunden­fälschung und der Herbeiführung eines großen Vermögensverlustes im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB gegeben

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